Angela Gheorghiu Tosca Berlin Staatsoper
Angela Gheorghiu singt Tosca an der Berliner Staatsoper / Foto: facebook.com/angelagheorghiuofficial/

Die Inszenierung von Alvis Hermanis ist leidenschaftslos. Sie ist sachlich und sauber. Auffälligstes Merkmal der Regiearbeit sind 1. die gemalte Nonstop-Dia-Show und 2. Toscas Ausschnitt. Beides stört nicht groß.

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Seit der Wiener „Ahhh… Non abbiam‘ il soprano„-Tosca, in der Angela Gheorghiu Jonas Kaufmann live abstrafte, weil dieser in der zweiten Vorstellung hintereinander „È lucevan le stelle“ wiederholt hatte, hat Gheorghiu den Ruf als rassige Diva weg. Und wie singt sie im Berliner Schillertheater? Ihre Glanzstellen sind das von Puccini so glorios mit unstillbarer Trauer eingetrübte „Vissì d’arte“ und die ähnlich temperierte Scarpia-Szene im ersten Akt („Ed io venivo a lui tutta dogliosa“). Hier vibriert die Musik vor schmerzlichem Ausdruck. Selbst das Atemholen von Gheorghiu ist musikalisch.

Doch warum singt sie leise Passagen absichtsvoll flüsterleise? Hat sie das von Kaufmann? Das ist subtil. Doch was nützt es, wenn ihre Stimme nicht über Reihe zehn hinauskommt? Eigentlich ist das erstaunlich, denn zu den Ensembles steuert sie erfüllte Spitzentöne bei, die jeden Opernliebhaber zufriedenstellen dürften. Die Liebesduette des ersten und dritten Aktes besitzen nicht ganz die exquisite Klasse von „Vissì d’arte“. Angela Gheorghiu agiert hier dynamisch und klanglich unausgeglichener (sollte ich sagen undisziplinierter?) als ihr Partner Sartori.

Dass Angela Gheorghiu ebenso sehr sich selbst spielt wie Tosca, ist OK, denn beides macht sie sehr gut.

Die ungehobelte vokale Wucht von Michael Volles Bariton passt gut zu Scarpia, einem der übelsten Bösewichte der Operngeschichte. Volles körniger, klangstarker Bariton sorgt im Schillertheater für ein intensives Rollenporträt. Hinzu kommen ein starkes Bühnentemperament. So süffelt Volle seinen Vino tinto mit sardonischem Grinsen, während im Nebenzimmer sein Folter-Business wie am Schnürchen läuft. Volle singt „deutsch“, also klanglich rau und deklamatorisch profiliert: Er schreckt nicht vor dem Zersäbeln von italienischen Vokalen zurück.

Als Cavaradossi bietet Fabio Sartori robuste Italianità. Sein in der Höhe metallisch gehärteter Tenor klingt sowohl mühelos viril als auch italienisch sentimental. Weil Volle und Gheorghiu so hinreißend spielen, darf Sartori seine Bühnenaktivitäten auf Sitzen und Stehen beschränken.

Den souveränen Angelotti singt Grigory Shkarupa, Jan Martiník den hörenswerten Mesner. Spoletta ist Dan Karlström, Sciarrone Vincenzo Neri. Beide spielen und singen rollenfüllend. Dominic Barberi verkörpert im dritten Akt den seelenruhig seine Stulle futternden Carceriere.

Es dirigiert Domingo Hindoyan. Der Venezolaner gefiel schon im Frühjahr, ebenfalls mit Tosca. Wenn mich nicht alles täuscht, ist sein Dirigat heute nochmals runder. Die Staatskapelle legt sich ins Zeug, und das nach den Elgar-Strapazen der letzten Tage. Streicher und Bläser klingen warm. Das klingt natürlich, leicht, und bisweilen bis an die Grenze des Sorglosen getrieben. Lebhaft und genau das Streichsextett vor „È lucevan le stelle“. Die Spannungsextreme sind eingebunden in die Partitur, die zu ihnen führenden Steigerungen glänzen mit Übersicht und Mittelstimmenreichtum. Domingo Hindoyan scheint sowohl über spontane Musikalität wie über ein Gefühl für Ordnung zu verfügen. Stellenweise fühle ich mich an die verblüffende Dudamel-Bohème erinnert (es war Dudamels Berliner Debüt, 2008, übrigens mit Jonas Kaufmann als Rodolfo).

Hindoyan und Gheorghiu finden im ersten Akt selten ein gemeinsames Tempo. Die leidenschaftliche Gheorghiu hat scheint’s wichtigere Dinge zu tun, als in den Graben zu schauen. Und bei „Vissi d’arte“ drückt Gheorghiu zu Beginn so sehr auf die Tube, dass Hindoyan nicht hinterherkommt.

Kritiken der Tosca-Premiere der Berliner Staatsoper vom Oktober 2014:

Stadthallenkompatibel“ (tagesspiegel.de)
Kreischen, Kintopp und Klamotte“ (welt.de)
Totalschaden mit Tosca“ (dradio.de)