Schlagwörter

Berliner Philharmoniker Simon Rattle Debussy Varèse Betsy Jolas Emanuel Ax Percy Grainger / Foto: twitter.com
Die Herren tragen heute Fliege.
Herr Rattle, folgen Sie dieser Logik. Wenn Brexit = ja, dann Sie = deutscher Pass. Wie soll das gehen ab 2018 ? Sie LSO-Boss, aber gleichzeitig im Häuschen Nähe Grunewald wohnen bleiben? Wollen Sie, dass Berliner Grenzer, die des Englischen kaum ernsthaft mächtig sind, jedes Mal Ihren Pass durchstöbern? Ihre Taschen nach unverzollten Pickled Eggs durchsuchen? Eben. Am besten, Sie bringen das LSO gleich mit nach Berlin, dann ist alles super easy. In der Philharmonie ist bestimmt noch Platz.
Damit Sie auch alles hundertprozentig verstehen, Herr Rattle, hier das Ganze auf Englisch, Dank an Google Translator: „Mr. Rattle , follow this logic . If Proposed referendum on United Kingdom membership of the European Union = yes, then = German passport . How is this possible in 2018 ? They remain LSO Boss but live , simultaneously in the cottage near Grunewald ? Do you want the Berlin wall guards that the English are unlikely to seriously powerful, every time browsing your pass ? Your bags by uncleared Pickled Eggs search ? Just. It is best to bring the LSO equal to Berlin , then everything is super easy . In the Philharmonie determined there is space .“
Und damit zu den wichtigen Dingen des Lebens.
Heute Abend wird Debussys ehrwürdiges Prélude à l’après-midi d’un faune zum Ausgangspunkt für ein Programm, das so wild gemustert ist wie eine sommerliche Picknickdecke. Das Prélude können die Philharmoniker wohl auswendig. Heuer klingt es so tiefenentspannt, als wollten die Musiker es als Hymne auf sinnliches Faulenzen im Massagesalon interpretieren. Hübsch, wie die verschatteten Flöten (Emmanuel Pahud & Jelka Weber) ihr sinnliches Adrenalin verströmen, hübsch die sich reibenden Horn-Duettchen von Andrej Žust und Stefan Dohr.
Betsy Jolas‘ A Little Summer Suite beginnt mit einer Art Zimmerbrunnenplätschern, worauf ein Beethoven’sches Rezitativ der Bässe folgt. Die Suite ist voller Klangarabesken, die sich mit der Unvorhersehbarkeit sommerlicher Mücken bewegen. Es ist eine Uraufführung. Nach erstem Hören wage ich kein Urteil. Doch Jolas‘ im letzten Late-Night-Konzert gehörtes Ruht wohl gefiel mir besser.
Emanuel Ax schätze ich als sehr klugen Pianisten, obwohl der glanzlose Anschlag als auch die unspektakuläre Phrasierung mich selten zufriedenstellen. Die Wirkung von Ax‘ Ton auf mein Nervensystem hört in jener Millisekunde auf, in der das physikalische Dasein des entsprechenden Tones aufhört. Das ist eine kurze Wirkung. Die Konzentration auf den blässlichen Reiz von Ax‘ Spiel lässt mich fast vergessen, dass die Variations symphoniques von César Franck ein subtiles Meisterwerk sind. Täuscht es mich, oder war das Spiel der philharmonischen Streicher im langsamen Teil der Variations nie wärmer, nie freier?
Die Pause ist eines der beiden Dinge heute Abend, die definitiv nicht französisch sind.
Das andere ist Percy Graingers Suite In a nutshell, die die Musiker der Philharmoniker zwischen profunden Soli und spannkräftigem Tutti auspendeln. Es tut wenig, aber doch auch nicht nichts zur Sache, dass der gute Grainger anscheinend Rassismus und Antisemitismus für Dinge hielt, die das Leben lebenswert machen. Und sonst? „In a nutshell“ beflügelt durch lockerflockige Streicher, und schön ist die expressive Attacke des Blechs. Man könnte ruhig noch mal etwas von Grainger testen.
Maurice Ravels La Vallée des cloches aus Miroirs hört man zwei Mal, einmal als originale Klavierversion mit Emanuel Ax, dann als Arrangement für Orchester von Percy Grainger. Letztere finde ich langweilig, bis die heute schlichtweg irrwitzig guten Streicher einsetzen (Was haben die gegessen?).
Edgard Varèses Amériques – das ist bewusstes Anti-Kernrepertoire, ungewöhnlich koloriert, mit gehärteten Phonspitzen, ein glühend aufgeladener Multikulti-Sog. Denn irgendwie klingt das noch immer wie frisch wie aus dem Klangexperimentierkasten. Die Freiheit, zu der die Musik hier findet, schlägt den Bogen zurück zu Debussys den Abend eröffnenden Zehnminüter, auch wenn der in einen Bezirk reicht, den sonst neben Mozart kaum einer zu betreten vermag.
Viel Applaus.
Klaus Wallendorf, Berliner Hornist und Thüringer Lyriker, ein echter homo ludens, spielt sein letztes Konzert (sein letztes unter Rattle? Nächste Woche nach Wallendorf Ausschau halten!).
Die Musiker spendeten zumindest am Samstag kaum Beifall bei Jolas. Wer Böses dabei denkt… Wie immer einige lautstarke Bravos der Neue-Musik- oder besser gesagt Betsy-Jolas-Aficionados.
Emanuel Ax verrichtet hochprofessionelle Arbeit, man muss ihn einfach lieben. Bei Mozart ist Emanuel Ax übrigens (beinahe) unschlagbar. In a nutshell hat mir übrigens sehr gut gefallen. Das ganze Konzert war ein Beispiel, wie man frische Luft ins klassische Beethoven-Brahms-Bruckner-Konzert bekommt. Ja, und Antisemiten können ja bekanntlich unter Umständen ganz passable Musik schreiben.
Sind Sie nicht im Staatsopern-Ring?
LikeLike
Ax: Sein Spiel hat für meine Ohren wenig eigenen Charakter, kaum Temperament, Ton und Anschlag fehlt Profil. Seine Mozart-Interpretationen klingen, als wolle er ein zugegebenermaßen sehr intelligentes Buch über Mozart audialisieren. Aber das mögen andere anders hören und mit Recht anders hören. Ja, in den langsamen Partien waren Ax‘ Mängel für mich weniger evident.
Bei Schiff denke ich hin und wieder in die gleiche Richtung, so grundverschieden Ax und Schiff auch sind, besonders wenn Schiff Beethoven spielt.
@Ring: Nein, nicht bei Barenboim. Ich habe den optisch sehr unbefriedigenden Ring schon zwei Mal gesehen und hatte letztes Jahr einfach keine Lust zu bestellen, zumal Schager nicht mein Lieblings-Siegfried ist – und ich gerade den Münchener Ring-Zyklus fast zwei Mal intus hatte, und für den Münchener zahlt man bekanntlich via Stehplatz-Karten für ALLE 4 Vorstellungen so viel wie in der Staatsoper für EINE Vorstellung. Noch krasser sind die Preise ja beim DOB-Ring. Inzwischen würde ich einen Staatsopern-Zyklus aber natürlich gerne mitnehmen. Aber nun ja.
LikeLike