Endlich einmal wieder Barbier von Sevilla!
Wie die Inszenierung von Ruth Berghaus ein blendend helles 18. Jahrhundert auf die Bühne der Staatsoper zaubert, ist immer noch sehenswert (Premiere: 1968). Auch weil sich die Buffa-Stereotypen ideal in das minimalistisch leichte Bühnenbild einpassen. Kostüme in der Art des Pietro Longhi schaffen eine Vergangenheit, die nah und vertraut erscheint. Mit ironischem Augenzwinkern bricht Berghaus den Topos des Singens an der Rampe, streut leitmotivisch Bewegungsmuster (lahmes Hinken, keck kreisende Füße) und Gesten (kokett flirrende Hände) ein. Nebenfiguren wie der unglückliche Fiorillo werden komödiantisch zugespitzt und gebrochen präsentiert. Dennoch stellt sich in dieser Inszenierung die Komödie nicht vor die Musik, sie wahrt eine klassisch anmutende Mitte aus Buffa-Turbulenz und seltener Klarheit der Personenführung.

Ein agiles Belcanto-Ensemble steht auf sängerischer Seite für den Erfolg ein.
Allen voran der Almaviva von Michele Angelini, ein affektierter, doch aufrichtig verliebter Schnösel und Freund herrlich eitler Tenorposen, sowie die feurige Rosina von Annalisa Stroppa, ein Flirtgeschoss erster Klasse und sehr liebebedürftig. Beide überzeugen durch mitreißende Buffo-Präsenz. Auch stimmlich sind beide ein Gewinn. Angelini mit schlankem, flinkem und dazu höhensicherem Tenor, der mit schöner Attacke glänzt, Stroppa mit temperamentvollen Rezitativen und intensivem, dunkelgefärbtem Mezzo, dem in der Höhe einige Spritzer Balsamico beigemischt sind. Angelini verziert die zärtliche Kavatine Ecco ridente fantasievoll, akzentuiert 1/64-Pausen überdeutlich und endet mit dem (üblichen, interpolierten) hohen C.

Ruth Berghaus‘ eigenständige Lesart zeigt sich auch beim Figaro, der hier einmal kein viriler Charmebolzen mit Macho-Allüren ist, sondern ein charmanter Strippenzieher, angetan mit seltsamem Flatterkostüm und apartem Hütchen. Alfredo Daza lässt da mit virtuosem Plapperparlando und wendigem, dunkel grundiertem Bariton auch nichts anbrennen. Figaros Gegenspieler Dr. Bartolo (Renato Girolami) ist ein sonor und machtvoll singender Pfundskerl, der einem fast leid tut, wie er von dem gewieften Almaviva ein ums andere Mal übers Ohr gehauen wird. Singdarstellerisch ist Girolami kaum zu schlagen. In den Nebenrollen singen Jan Martiník als Don Basilio (mit einer ordentlichen Calumnia-Arie), Adriane Queiroz als charaktervolle Berta (schöne Arie Il vecchiotto cerca moglie), David Oštrek als den durch Figaros Ideenreichtum bei Almaviva schnöde ausgebooteten Fiorillo und Florian Eckhardt als mild verblödeter Diener Ambrogio.
Immer noch ist die Partitur eine der abwechslungsreichsten und mitreißendsten überhaupt. Stefano Ranzani steuert die bestens aufgelegte Staatskapelle mit Pepp und Charme durch kunterbunte Arien und Finali. Die Vielfalt an rhythmischen Ideen, Gestalten, Formen, Modellen ist atemberaubend – jede Nummer glänzt durch rhythmisch schlagende Einfälle. Aber Ranzani serviert auch die melodischen Trouvaillen blitzblank und mit sentimentalem Augenzwinkern, auch wenn die Streicher manche Staccato-Skala etwas maulfaul als nuschliges Glissando interpretieren. Schön die Oboe von Cristina Gómez Godoy mit der keck doppelt punktierten Melodie der Ouvertüre.
Foto: Monika Rittershaus
Alondra de la Parra leitet Premiere Zauberflöte
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Gar nicht schlecht. Ich gehöre nicht zu den ganz großen W.-M.-Fans.
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Haben Sie die Vorwürfe an Barenboim gelesen?
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Ich hab es in einem Beitrag auf Deutschlandradio gehört. Dass Barenboim mit Musikern gerne verärgert diskutiert, sieht man in der Staatsoper immer wieder, ich habs zuletzt neulich nach der Elektra bemerkt. Keine Ahnung, ob das einzelne Stimmen sind oder allgemeiner gilt. Bei Rattle wurde auch gesagt, die Philharmoniker würden ihn nicht ernst nehmen, er könne nicht dirigieren etc. Die Frage ist nur, ob da zwei, drei Leute zitiert werden und dann ein Riesen-Aufriss daraus gemacht wird. Von Karajan und Böhm wird ähnliches berichtet wie nun von Barenboim, von Toscanini ganz zu schweigen.
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Das sehe ich genauso. Da versucht ein Nischen-Medium auf sich aufmerksam zu machen und hängt sich an einen großen Namen. Ich jedenfalls kannte das Magazin nicht.
Zu weiteren Lektüre https://www.ndr.de/kultur/Eleonore-Buening-zum-kritischen-Barenboim-Artikel,journal1654.html
Zitat Dünung: „Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich fassungslos war, als ich das gelesen habe. Manche Sachen musste ich zweimal lesen, weil ich gar nicht glauben konnte, dass sich jemand – ein Journalisten-Kollege – in den Post-Claas-Relotius-Zeiten so daneben benimmt oder so aus dem Fenster lehnt. „
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OK ist ein solches Verhalten (Barenboims), falls es denn stattfand, natürlich dennoch nicht.
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Ein Beitrag zur Causa Barenboim von Bitzan
http://wendelinbitzan.de/de/blasphemy-on-barenboim/
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Brug äußert sich für RBB moderat gegen Barenboim aber eigentlich vernünftig
Ich fand die Verteidigung Barenboims durch Büning schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt https://www.kulturradio.de/programm/schema/sendungen/kulturradio_am_morgen/archiv/20190208_0605/kommentar_0710.html
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Brug noch mal, dieses Mal schärfer zur Causa Barenboim
https://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article189114093/Schwere-Vorwuerfe-gegen-den-Dirigenten-Daniel-Barenboim.html
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Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Orchester leiten und im Team auf Dauer Höchstleistung zu bringen geht nun einmal nicht nur mit Streicheleinheiten. Musik auf diesem Niveau ist wie Spitzensport, das sagte mir ein Musiker einmal. Bei einem Spitzenorchester herrscht sicherlich auch öfters dicke Luft. Nicht jeder ist für den Dauer-Stress und die sicherlich auch anfallenden Enttäuschungen gemacht . Dazu kommt die Unterordnung unter einen fremden Willen, die Angst vor Fehlern. Und natürlich geht es dort auch rauh zu. Es liegt mir fern, ein wie auch immer geartetes fehlerhaftes Verhalten zu entschuldigen. Aber ich hatte auch schon zwei Chefs, die nicht gerade leicht zu ertragen waren. Barenboim ist einer der besten Dirigenten, die wir haben.
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Klar dass der Hansen auch noch seinen Senf dazugibt. https://www.tagesspiegel.de/kultur/kritik-an-barenboim-sein-lebenswerk-steht-auf-dem-spiel/24024064.html
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Der Artikel ist von Ulrich Amling, nicht von Frederik Hanssen. Es ist ja irgendwie auffällig, dass genau diejenigen Journalisten am lautesten gegen Barenboim schreien, die ihn auch musikalisch regelmäßig anätzen, Brug und Amling.
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Maria Ossowski hat in der Abendschau Stellung bezogen
https://www.rbb-online.de/abendschau/archiv/20190225_1930/streit-um-daniel-barenboim.html
Es war mir nicht klar, dass gerade Verhandlungen darüber stattfinden, ob der Vertrag von Barenboim verlängert wird. Vor diesem Hintergrund erscheint die Kampagne gegen Barenboim in einem ganz neuen Licht. Ich finde es einfach nur schäbig, wie hier eine Affäre hochgekocht wird, um nichts anderes als Kulturpolitik zu machen. Pfui, Van-Magazin, Pfui Manuel Brug.
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