
Tod im Kerzenschein: Anna Prohaska stirbt stilvoll in Le Vin herbé / Foto: Matthias Baus / staatsoper-berlin.de
Kammeroperfestival, Staatsoper Berlin.
Le Vin herbé von Frank Martin. Ein „Weltliches Oratorium“ für kleinen Apparat, sieben Streicher, Klavier. 12 Singstimmen. Komponiert 1938 bis 1941.
Die Wurzeln von Le Vin herbé sind die von Wagners Tristan und Isolde. Die Akzente sind indes andere: Nach dem Liebestrank leben Tristan und Iseut als Paar im Wald. Iseut kehrt an den Hof Markes zurück. Tristan heiratet eine andere Frau. Diese verursacht Tristans Tod durch einen falschen Bericht über die Farbe des Segels des Schiffes, das Isolde zu dem verwundeten Tristan bringt.

Regie Katie Mitchell: Le Vin herbé, Berliner Schillertheater. / Foto: twitter.com/StaatsoperBLN
Der Abend ist spannend.
Katie Mitchell führt konzentrierte Regie, die Personenführung ist sinnfällig und bis in kleine Gesten der Sänger hinein zeichenhaft. Mitchells magischer Dingrealismus unterstützt die geheimnisvolle Lakonik des Bühnengeschehens. Seegang wird so dargestellt: Arttu Kataja und Artur Grywatzik biegen sich im Rhythmus des Wellengangs hin und her. Fast kann man von einer charismatischen Keuschheit der Arbeit sprechen.
Anna Prohaskas immer schon alles wissende Iseut singt sphinxhaft hell und silbengenau. Prohaska ist darstellerisch von genauestem Umriss. Marcel Reijans‘ Tristan ist kaum weniger eindringlich. Seine metallische Höhe ist für die wenigen hochdramatischen Momente verantwortlich.
Adriane Queiroz leiht der Branghien-Brangäne einen unheilschwangeren Sopran, Ludvig Lindström dem Marc (Marke) Klang und Substanz. Katharina Kammerloher gibt der Iseut mère musikalische Fülle, Virpi Räisänen der Iseut aux blanches mains, der Frau Tristans, skandinavisches Timbre.
Auch die Nebenrollen sind mit Narine Yeghiyan (Sopran 1), Stephanie Atanasov (Alt 6), Stephen Chambers (Tenor 1), Michael Smallwood (Kaherdin) und Arttu Kataja (Bass 4) sowie Artur Grywatzik (Hoël) adäquat besetzt.
Friedemann Layer leitet sehr profiliert am Pult.
Frank Martins hervorragende Komposition fasst das alles in schmaler Innerlichkeit. Le Vin herbé ist so radikal in seiner Knappheit wie spartanisch in seinem Ernst und entfaltet gerade darum eine musikdramatische Sogwirkung, die sich sehen und hören lassen kann.
Die Sängersolisten sind oft chorisch gebunden: eben Ensemblewerk, keine Oper. Im Duktus der strengen Gesangslinien mag man Debussys Pelléas et Mélisande wiedererkennen, ohne dass Martin sich dem großen Franzosen unterordnen würde.
Fazit: eine durch und durch sorgfältige Leistung und eine der besten, die gegenwärtig in Berlin zu sehen sind.
Ich geh nächsten Donnerstag rein.
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Stunning Prohaska, loved Reijans and Kammerloher
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