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Daniel Barenboim dirigiert das Neujahrskonzert 2014. Ich darf an dieser Stelle die stolzgeschwellte Brust jedes einzelnen der 3,5 Mio. Berliner erwähnen. Die Kritik zum Neujahrskonzert 2016 lesen Sie hier.
Wer eine Barenboim-Komponente entdecken will, kann sie in der warm gedämpften Fülle, in der goldenen Breite finden, die die Wiener Philharmoniker entwickeln. Jawoll, temperamentvolle Steigerungen. Jaaa, „Aus dem Bauch raus“-Rubati. Die Musiker spielen mit großer Sensibilität für jenen unwissenschaftlichen Bereich, den man das Psychologisch-Zwischenmenschliche nennen kann.
Der Josef-Strauß-Walzer „Friedenspalmen“ wird von den Wienern aus einem gewieften Geigenlegato und gepflegten Trompetenfanfaren entwickelt.
Ähnlich „Seid umschlungen, Millionen“ von Johann Strauß Sohn, das mit Streicherflaum im 6/8-Takt („Andantino mosso“) beginnt, zu schlawinerhafter Leichtigkeit findet und schlussendlich in jenem kultivierten Krawall endet, den die Wiener Philharmoniker drauf haben wie sonst niemand. Aha, Barenboim dirigiert mit der Hand in der Hosentasche. Das kenne ich aus Berlin, egal ob es sich um Bruckner 7., Parsifal oder Tschaikowsky Klavierkonzert handelt.
Nach der Pause die „Waldmeister“-Ouvertüre, deren Lento-Andante-Passagen von Piano-Arabesken der Streicher leben – Barenboim hier mit vorgestrecktem Kopf und auf den Mund gelegtem Zeigefinger – und das die Musiker mit delikat gedämpften Temperamentausbrüchen spielen.
Die Polka „Stürmisch in Lieb‘ und Tanz“ sowie der Klipp-Klapp-Galopp gehören in die Abteilung „mit Charme, Schmiss und Schmackes“.
Desweiteren üben „Geschichten aus dem Wienerwald“ (Wilfried Scharf, Zither) und Schabernack-Polka ihren unwiderstehlichen Zwang aus. Dieser Schwung. Dieses Wiener Idiom. Im weiteren Verlauf noch ein paradiesisches Solo-Horn.
Die Integrität des Programms gewährleisten desweiteren Stücke von Lanner und Hellmesberger Junior.
Gestreifte Hosen der Herren tragen zur feschen Festlichkeit bei.
Barenboim verteilt die Blumen aus dem Strauß an die Damen des Orchesters. Das kennen wir ja auch aus Berlin :-)
Das Neujahrskonzert stellt jedes Jahr wieder einen lohnenswerten Ausflug in die Höhen und Tiefen des Wiener Foklorismus dar. Das ist btw auch musikwissenschaftlich hochinteressant
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Ja. 2013 war Barenboim-seitig gar nicht schlecht für Berlin. Ein kompletter Wechsel Barenboims nach Mailand ist mit der Nominierung Chaillys als zukünftiger Musikdirektor vom Tisch. Das Interview im Tagesspiegel vor einigen Wochen ließ sich als weigehend Bekenntnis Barenboims zu Berlin und zur Staatskapelle lesen.
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I adore the Vienna New Year’s Concert.
Thanks for the great article!
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@2013 war Barenboim-seitig gar nicht schlecht für Berlin
Yep.
Ein erstes Signal war die Entscheidung, dass die Akademie des West-Eastern Divan Orchestra nach Berlin kommt.
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The setting is so charming
I love to hear Daniel and I love the way he is working with the orchestra
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@Wiener Idiom
Deswegen sind die Wiener Philharmoniker so unverwechselbar und eines der besten Orchester der Welt. Ich würde gerne sagen, das beste Orchester der Welt, aber natürlich nicht gegenüber einem Berliner Musikfreund :-)
Grüße aus Wien nach Berlin
Christina
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@das beste Orchester der Welt
Ihre Aussage lasse ich gerne gelten. Zu Jahresbeginn sollte man generös sein.
Was mich umhaut, wenn ich die Wiener höre, sind die Hörner. Aber auch die Streicher sind nicht von schlechten Eltern. Die Wiener Philharmoniker sind im Frühjahr mit einem Mozart-Programm in der Philharmonie. Barenboim dirigiert.
Es ist ja nie leicht, sich auf die Wiener einzuhören, wenn sie dann mal in der Philharmonie leibhaftig vor einem sitzen. Farbe, Phrasierung, Timbre, Temperament, tlws. auch Besetzung und Orchesteraufstellung, da gibt es überall kleine, aber feine und höchst wichtige Unterschiede. Ich persönlich finde ja die Mozartsinfonien der Wiener mit Levine immer noch die besten, wenn ich das hier erwähnen darf. Aber wenn man das in Berlin laut sagt, wird man binnen Stunden gelyncht.
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