Bergs Wozzeck.
Die düsterste aller Opern präsentiert sich wie eh und je in makelloser, schlackenlos ausdifferenzierter Form. Nie lohnt sich große Aufmerksamkeit mehr als bei Wozzeck. Eine dunkle, meisterhafte Inszenierung von Andrea Berth. Die Staatskapelle spielt Bergs Partituren wunderbar weich, solistisch pointiert. Ich kann mir einiges klarer vorstellen, aber gut. Die Intermezzi gelingen fließend und glühend.
Über die grenzenlos subtile Musik legen sich grelle Schraffuren (Rondo marziale vor der Wachstubenszene, Maries Bibelszene).
Roman Trekel: Das notorisch arme Schwein im Soldaten-Outfit. Kraftvolle Stimme mit nüchternem Timbre, heftige Wortakzente, bisweilen gepresste Vokale. Trekel ist bei den Problematikern am besten: Wagners Amfortas, Bergs Wozzeck.
Waltraud Meier (Marie): Hochexpressiv in der Höhe und glaubwürdig (Bibelszene, 3. Akt), nicht mehr ganz geschmeidig. Manchmal kommt es mir vor, als mache sie nach jedem Wort eine winzige Pause. In der Tiefe blasser – das war aber schon bei ihrer gigantischen Isolde so.
Graham Clark (Hauptmann): altgedienter Mime in Bayreuth, an der MET und Unter den Linden. Schmächtig-drahtiger Sprechgesang mit schöner Überdeutlichkeit der sprachlichen Gestalt. Hustet eindrucksvoll.
Pavlo Hunka (Doktor): durchgeknallter onkelhafter Junggeselle mit grotesken Hobbys.
Štefan Margita (Tambourmajor): aggressiv und harsch.
Die weiteren Rollen: Heinz Zednik (Narr), Florian Hoffmann (Andres), Katharina Kammerloher (Magret, kernig-kraftvoller Mezzo).
Witzig: Das Intermezzo vor der letzten Szene beginnt wie ein Mahler zum Zeitpunkt der 9. Sinfonie, das Solohorn der Bibelszene beginnt mit einem deutlichen Anklang an die Walküren-Todesverkündigung. Der Hauptmann ist ohne Strauss‘ Herodes aus Salome undenkbar.