Christian Thielemann mit Mendelssohn, Mozart, Liszt. Dieses Konzert in der Berliner Philharmonie war schwierig für Menschen mit einer gesunden Skepsis gegenüber Programmmusik. Bei Mendelssohn-Bartholdys Meeresstille und glückliche Fahrt konnten solche Menschen immerhin eine Art glänzender Behäbigkeit und heiteren Schwung bewundern. Im straff und warm leuchtenden Glanz seinem stichhaltigen Tannhäuser-Dirigat von Bayreuth 2012 ähnlich und gleichwertig.
Konzertmeister sind die Philharmoniker Guy Braunstein und Daniel Stabrawa. Streicherbesetzung bei Mozart: 10 erste Geigen, 8 zweite, 6 Bratschen, 4 Celli (Mitte links), 3 Bässe (hinten links). Christian Thielemann dirigiert ein im zurückhaltenden, biegsamen Klang überzeugendes Klavierkonzert C-Dur KV 467. Maurizio Pollini zeigt an Mozarts Konzert eine fast meisterhaft beiläufige Einfachheit des Spiels. Pollinis Mozart-Interpretationen gleichen immer mehr Destillationen, kann man auch Klassizität nennen = Unlust zum Erklären. Beim langsamen Satz klingt Pollinis Spiel klar wie der Tag. Für mich zu wenig Transzendenz, zumal auf dem Höhepunkt des Berliner Advents. Bei Thielemann im 2. Satz auch Null Transzendenz. Beim Mitsingen bewies der Pianist wohltuende Diskretion. Wie öfters zuletzt hören die Zuhörer keine Zugabe von Pollini.
Wer Thielemanns Mozart-Dirigat nur glanzvoll-kultiviert nennen wollte, hätte Thielemanns umstandslose, auf das Praktische (vielleicht deswegen irgendwie typisch Berlinerische) gerichtete, letztendlich großartige Sensibilität geflissentlich überhört. Aber der gefällige, weil selbstgenügsame rhythmische Puls von Thielemanns Mozart war Verdienst und Grenze zugleich. Gleiches gilt für das Festliche, Ungehemmt-Aufgeräumte, das die Ecksätze mitbestimmte – für die knapp 30 Minuten Mozart höchstbefriedigend, auf längere Dauer ungenießbar. Das Tempo im Finale herrlich. Wenn ich einem Satz den Vorrang geben wollte, so diesem.
Nach der Pause folgt eine schmissige Ladung Liszt. Die Tondichtung Mazeppa ist viel besser als ihr Ruf, nur etwas lang. Von außerordentlicher Klangwirkung ist jene „espressivo dolente“- und Es-Dur-Trompeten-Stelle, die Wagner niemals hätte erfinden können, weil er zu wenig schwärmerisch war. Von der Wiege bis zum Grabe hat aufgrund notorischer Unbekanntheit keinen nenneswerten Ruf, sticht aber durch Fahlheit der Faktur und eine daraus hervorgehende Parsifal-Nähe hervor. Les Préludes attaca. Die Wiedergabe durch die Berliner Philharmoniker war sorgsam und genau.
Andreas Blau Flöte, Albrecht Mayer Oboe, Tamás Velenczei Trompete, Daniele Damiano Fagott, Andreas Ottensamer Klarinette.
Eine einmalige Kombination Thielemann Pollini, auch ohne den vorgesehenen Brahms. Die Berliner Philharmoniker folgten Thielemann aufs Genaueste. Von der Wiege bis zum Grabe war eine großartige Entdeckung für mich.
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Ich war am Donnerstag in der Philharmonie und bin immer noch hochzufrieden. Für mich eindeutig das beste Konzert der Philharmoniker der Saison. Schade, dass Pollini nicht Brahms 1. Klavierkonzert gespielt hat, wie es im Jahresprogramm angekündigt war. Die Philharmoniker spielen besonders schön, wenn Thielemann da ist
LG
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Ich denke, die Schönheit des Spiels der Philharmoniker liegt daran, dass Thielemann einen Klang „in sich“ trägt. Außerdem gelingt es ihm bei (fast) jedem Werk einen Spannungsbogen zu schaffen, der das Publikum fesselt. Das macht seine Persönlichkeit als Dirigent aus.
Das ist meiner Meinung nach auch der größte Unterschied zu Rattle, der in seinen Interpretationen immer wieder faszinierende Details findet, sich aber in ihnen dann (zu) oft verliert und somit einem Spannungsbogen nicht vertraut.
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Aha, das Thema Thielemann – Rattle… Spannungsbögen sind bekanntlich nicht alles, auch in der Musik nicht. Mir fallen spontan 5 Dinge ein, denen Thielemann nicht vertraut, weil er einfach nichts davon hält, und die Rattle interessant machen.
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Nun, gemäss Aussagen von Musikern sind sie unter Thielemann so gut, weil sie nicht unter seinem Dirigat, sondern unter Führung des Konzertmeisters spielen.
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Klar finden das die Musiker gut, wenn ein Dirigent so was macht. Aber Konzertmeister ist nicht gleich Dirigent, und wenn alle Orchester so spielen würden wie die Konzertmeister es haben wollen, dann gute Nacht. So was ähnliches ist Thielemann mit den Wiener Philharmonikern in Berlin beim Beethovenzyklus passiert: Thielemann schwarwenzelt auf dem Podium rum und lässt die Wiener einfach spielen. Fand ich eher langweilig, bei aller Weltklasse, die in den Wiener Philharmonikern selbstverständlich drinsteckt. Das kann gut gehen, aber geht nicht immer gut.
Damit wir uns richig verstehen: Ich fand das Konzert der Berliner unter Thielemann sehr gut.
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