Kein gutes Konzert.

Am besten gefiel Strawinskys Roi des Étoiles, ein kurzes, effektives Chorstück mit klug gesetztem Giga-Orchester. Vor der Pause Rachmaninows abwechslungsreiche Kolokola oder „Glocken“. Der sichere Rundfunkchor trumpft mit präziser Schallkraft auf. Eindrucksvolle magmatische – oder enigmatische? – Höhepunkte der Philharmoniker. Mikhail Petrenko punktet mit sonor strömender Basslinie. Er ist bestens bekannt als Staatsopern-Hunding. Luba Orgonášová singt großartig. Ihre Stimme hört sich an wie eine Stalinorgel (mit Mezzo-Qualitäten), die zärtliches, dunkelrot glühendes Sopranfeuer spuckt. Dmytro Popov gefällt mit fester Tenorstimme.

Errrhhh. Der Sacre du Printemps ist nicht halb so aufregend wie sein Ruf. Die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle spielen einen etwas starr wirkenden, nicht allzu raschen, aber teuflisch effizienten Sacre. Ich behalte folgendes in Erinnerung: die kaltschnäuzigen Orchester-Aggressionen, die entfetteten, leisen Bläserstellen und die statischen, etwas altklug klingenden (liegt es an Rattle oder an Strawinsky?) Klangfarbenflächen. Eines der Mankos ist, dass ich jedem Wumms anhöre, dass er als große Sause gedacht ist. Der Charme der Themen ist dem der Themen aus Feuervogel und Petruschka unterlegen, da können auch Stefan Dohrs großherzige Soli nicht gegen an. Das traumwandlerische Gefühl für den einzig richtigen Orchesterklang einer Stelle ist in den Strawinsky-Stücken der zwanziger Jahre doch wohl größer.

Solène Kermarrecs rotes Cello bildet den optischen Mittelpunkt. Wenzel Fuchs (Klarinette) spielt so schön wie immer, oder vielleicht noch schöner.

Simon Rattle dirigiert. Der Typ mit Hut, der vor mir saß, sagte zu seinem Sitznachbarn: „He looks as if he was going crazy!“

Fazit/Kritik: interessantes, aber keineswegs umwerfendes Konzert der Philharmoniker. Kann auch sein, dass ich in den vergangenen 6 Wochen zu viel Staatskapelle gehört habe und die Umgewöhnung an den Philharmoniker-Klang schwerfällt.