Relativ ausverkauftes Saisonfinale an der Deutschen Oper mit Werther, der genialen, in Deutschland gerne mal unter Kitsch-Verdacht stehenden Goethe-Vertonung von Jules Massenet. Konzertant und attraktiv besetzt.

Der Werther von Jonathan Tetelman klingt wie im Armani-Anzug: heroisch, italienisch, dunkel. Die Stimme ist eine der schönsten derzeit. Metallisch fest, markant timbriert, mit betörender Halbstimme, das Vibrato eng und brillant. Für Pourquoi me réveiller im dritten Akt hat Tetelman Stahl und Samt, die Intensität der Stimme ist aufregend.

Doch man hört weniger Nuancen des Ausdrucks. Die Spitzentöne haben volltönenden thrill, doch man wünschte für die lyrischen Passagen mehr changierende Farben, mehr Eleganz der Phrasierung, mehr elegischen (französischen) Glanz. Tetelman zur Seite steht heute die junge Aigul Achmetschina. Ihre Stimme lodert, wenn in Fahrt, hot und spicy, die Sängerin agiert temperamentvoll, wenn auch weitgehend unverständlich. Ihre Charlotte ist eine des Herzensschreis (oder -geschreis). Die Tongebung: immer full power. Da fehlen der Arie Va! Laisse couler mes larmes schnell mal Zwischentöne. Breit und unfranzösisch in Klang und Idiom der Albert von Dean Murphy. Lilit Davtyan (Sophie) hört man gerne zu. Für die Staffage in Massenets vieraktigem Gefühlspanorama sorgen der Amtmann von Michael Bachtadze, Jörg Schörner (Brühlmann), Chance Jonas-O’Toole (Schmidt) sowie Gerard Farreras (Johann). Karis Tucker (Käthchen) ist leider nur kurz zu hören.

Ich war bislang von Enrique Mazzola, der schon Massenets Hérodiade – damals mit Margaine und Dupuis frankophoner besetzt als heute Werther – an der Deutschen Oper konzertant verantwortete, stets mehr oder weniger begeistert. Sein Zugang sagt mir heute wenig. Gewichtig und breit, immer etwas schwer, dabei pompös und theatralisch, mehr Tschaikowsky als drame lyrique. Freilich auch mit schönen Momenten im Lyrischen. Aber auch nicht überprobt.


Weitere Kritik: „Perfekter Werther“ (F. Hanssen)