Die Tragische Ouvertüre von Brahms ist nicht so interessant – es sei denn, die Wiener Philharmoniker spielen sie Unter den Linden. Überdies haben in der deutschen bzw. österreichischen Musik der 1860er und -70er Robert Volkmann oder Karl Goldmark schönere Fünfzehnminüter geschrieben. Wegen Brahms flog Liszt aus dem Programm – vermutlich ein Fehler. Die Philharmoniker servieren viele Nebentöne aber keine Haupttöne.
Gegen das erste Violinkonzert des Polen Karol Szymanowski gibt es generell wenig zu sagen. Leider wirkt es heuer blass. Es liegt auch an Lisa Batiaschwili, deren Geigenlinien so schmiegsam schön sind, dass sie den Leidenschaftsattacken des Werks jede Erdenschwere nehmen.
Das Konzert ist eines der Stücke des letzten Jahrzehnts. Ein Satz, fünf Abschnitte, das dolce einsetzende Geigenthema kann sich niemand merken. Dafür wird das Thema des Allegretto, 4. Abschnitt, zum Ohrwurm. Für das erste hat die Georgierin elegante Schwärmerei, das zweite lässt sie sinnlich fluoreszieren. Batiaschwilis Kunst ist eine strenge, fein abgezirkelte. Innere Notwendigkeit gebietet ihr, den Rubikon des Realismus (i.e. abbildende Leidenschaft) nicht zu überschreiten. Baiba Skride spielte das Konzert in der Behrensstraße unter Rubiķis (ich saß direkt vor ihr) mit mehr Herz. Auch die Berliner halten sich zurück, haben in den entscheidenden Momenten aber das Temperament für dies labyrinthisch verschlungene, zärtlich einschmeichelnde Meisterwerk.

Das Programmheft informiert, dass die Berliner Premiere 1926 Fitelberg dirigierte, Solist war Bronisław Huberman.
Es ist Zeit für Richard Strauss‘ voyeuristische Symphonia domestica. Und siehe, der Abend schwingt sich zu vorzüglichem Gelingen hoch, weil die Musiker dem Tondichterischem wie dem Symphonischen Genüge tun. Die Balance stimmt, hier sonatendurchwirkte, symphonisch viersätzige Weitläufigkeit, dort intimdetailistische Holzbläserdelikatesse. Mal erzählerisch fein, mal dramatisch zupackend bringen die Akteure den leitmotivischen Beziehungszauber zum Gliltzern. „Domestica“ ist intimer als alles von Strauss zuvor Geschaffene – und entwaffnend modern.
Überhaupt sind Frische und illustrative Verve zwei Hauptmerkmale dieser Symphonia. Das passt wunderbar, besonders, wenn man die leicht ledrige Interpretation von Gilbert noch ansatzweise im Ohr hat. Anders als Rattle, bei dem man bei Strauss nie ganz zufrieden war, ist Kirill Petrenko 2024 ein Straussdirigent allererster Kragenweite.
Ich jetzt zu DSO mit dem genialen Busoniklavierkonzert. Würde mir ja auch ne gute Karte besorgen für Mehta und Staatskapelle, aber nachher ist Mehta krank und Poschner übernimmt und ich geh nicht.
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Domestica hab ich nur einmal im Leben auf dem Podium erlebt, mit Levine und seinem Handtuch. Danach wußte ich, daß der irgendwie komisch war. Das hat aber keinen Abbruch genommen, ihn am Ende toll zu finden. Am tollsten in der einzigen Chenier-Aufführung ohne Fehler, die ich je erlebt habe. Opera buffs sind sowieso immer irgendwie nicht ganz richtig. Und das ist gut so.
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Mag Levine als Dirigenten eigentlich auch. Mozartzyklus mit den Wienern aus den 90ern, Ring in Bayreuth auch sehr schön. Levine kann ich noch anhören, Domingo nicht mehr.
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Och, nur weil man jetzt weiß, woher die ganze Energie kam? Da finde ich den Levine der Theorie nach schlimmer. Eigentlich dürfte man dann ja auch keinen Wagner mehr hören. Aber Barenboim war der erste, der ihn in Israel aufführte.
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