Ein Bruckner-Abend in der Philharmonie.

Meister dirigiert beim Deutschen Symphonie-Orchester Bruckners Fünfte und was Neues von Simpson.

Der erste Satz ist bei Bruckner der beste, und das zweite Thema gefällt mir besser als das erste, breit strömen die Streicher (und singen in der Reprise noch schöner – und schüchterner). Noch packender entfaltet sich das dritte Thema, es tritt zögernd an, hat dann Zeit zum Ausschwingen. Den ff-Höhenzügen der Schlussgruppe freilich fehlt das Zapfige. Man hätte nur dieses eine Mal die Exposition gerne wiederholt gehört. Auch die hingeklecksten Flötentöne zu Beginn der Durchführung sind zuckerlsüß, und das themenantagonistische Getümmel entrollt das Orchester daraufhin hemdsärmelig spannend, und zuletzt sausend schnell. Zwar kommen die Choräle vor dem Crescendo recht rasch, sind aber nicht ohne Metaphysik. Wie attraktiv erscheinen die radikal gekürzten Reprisen bei Bruckner, und die in der fünften ist besonders rasant.

Nach so viel Freude während des Kopfsatzes läuft’s im Adagio zwiespältig. Der Satz exponiert im Rahmen einer A-B-A‘-B‘-A“-Form zwei Themen, ein starres – Gülke sagt „karges“ – in den piano-Bläsern, das erst in einem Nachsatz auftaut, und ein strömendes in den Streichern. Dazwischen finden endlos lange Ausklangphasen Platz. Ja, gut. Aber es ist zu laut, es gibt zu viel Klangvordergrund, zu wenig Hintergrundgeheimnis.

Im Scherzo schenkt uns Bruckner neben einem vorwitzigen Thema und dem vergnüglichen Trio einen burschikosen Ländler. Was mir gefällt, weil das DSO die autoritative Explosivität im Schrank lässt und sich an Nuancen freut.

Das Deutsche Symphonie-Orchester spielt auch im vierten Satz flüssig. Aber auch brav. Und wenn Bruckner wieder seinen Choralträumen nachhängt, mal blechbläserzart, mal Forte-markant, fehlt das Überraschende. Schöne Stellen gibt es, man höre das mit leicht wiegender Trauer durchtönte Auslaufen des ersten Teils der Durchführung, vor dem Horneinsatz.

Können die jungen Dirigenten (und Dirigentinnen?) nur noch Bruckner schnell? Wagt keiner (und keine) Bruckner langsam?

Ticciati ist krank. Auch Petrenko bei den Philharmonikern fehlt immer mal wieder. Runnicles an der DO ist häufiger krank. Waren Dirigenten früher – ich habe schon einmal gefragt – härter im Nehmen? Rattle sagte nie ab, nur zuletzt, als er schon am Gehen war. Barenboim war bis vor Kurzem nie krank, wankte in der Philharmonie schon schmerzgekrümmt zum Podium.

In Israfel beweist der britische Komponist Mark Simpson (geboren 1988) ein undefinierbares Talent für Schönheit. Das Stück fließt und schillert, ohne zu langweilen. Hat Simpson doch eine Menge Talent?

Im Herbst dirigiert Thielemann die Fünfte mit der Staatskapelle. Dieses Wandern von Werken durch die Berliner Orchester ist eine extrem gute Sache.