Nacktes Licht, karge Inszenierung.

Das Bauerndrama von 1904, über das Janáček den Affektbogen aus Liebe, Eifersucht, Verzweiflung und Vergebung spannt, platziert Damiano Michielotto in einem von grellem Flutlicht durchspülten Einheits-Quadrat aus Transparentkunststoff (Bühne Paolo Fantin). So wenig mährische Stube, so wenig schmuckes Wams ist selten. Man steckt in ostigen 80er-Jahre-Klamotten. Trübe Nichtfarbe herrscht. Die Leute: eher vom Typ graue Maus. Es wird viel gesessen (Jenůfa) und gestanden (Laca). Von oben dräut ein Kegel aus Gletschereis. Er fängt auf gewisse Stichworte hin an zu tropfen.

Staatsoper Berlin Jenůfa Asmik Grigorian

Zwischen tauenden Herzen und schmelzendem Eis singt Aufsteigersopranistin Asmik Grigorian die Jenůfa herzensgut und angstvoll, aber wenig hinreißend. Warum nur? Michielottos Titelheldin ist ein apathisches Geschöpf. Und Grigorian, die mit klarem, freilich kontrolliertem Sopran singt, spielt seltsam unenteist. Präsenter huscht die einst vom Ehemann misshandelte Küsterin von Evelyn Herlitzius über die aseptische Bühne. Und singt mit rauer Wucht und druckvoll. Als wunderbar hörenswert und sehenswert erweist sich zudem die Alte Burja der Hanna Schwarz.

In Jenůfa trägt jeder sein ganz persönliches Päckchen Schuld, und es erfährt jeder die ihm zustehende Vergebung. Auch die Männer. Den Laca gibt Stephan Rügamer toll intensiv und vokal nie nachlassend. Der von der Küsterin als Schwiegersohn nicht gewollte Steva (ordentlich Edgaras Montvidas), ein lebenslustiger Prahlhans, verliert nacheinander Geliebte, Kind und Verlobte und macht die einzige Liebesbekundung Jenůfa gegenüber im Vollrausch.

Dass im Spannungsfeld von Verismo (Trunksucht, ungefilterte Affekte), Realismus (harmonisierender Schluss) und Expressionismus (obsessive Wortwiederholungen) auch noch regelrechte Ohrwürmer Platz finden, spricht für den Komponisten Janáček. Allerdings, der mit gemurmelten Monologen übervolle 2. Akt ist und bleibt eine Herausforderung.

Hanna Schwarz, Evelyn Herlitzius, Asmik Grigorian, Stephan Rügamer Clara Nadeshdin, Ekaterina Chayka-Rubinstein

Im 1. und 3. Akt entzücken aber Genreszenen, in denen der Altgesell freundlich biedere Figur macht (Stephen Bronk, každý párek si musí – „jedes Paar muss im Leiden“, ein concertato von Verdischer Dringlichkeit). Auch das Ehepaar Dorfrichter gefällt (David Oštrek, Natalia Skrycka), ebenso die fesche Karolka (Evelin Novak), die hübsche Schäferin (Ekaterina Chayka-Rubinstein), die matronenhaft aufgetakelte Barena (Anna Samuil energisch), der kleine Jano (Regina Koncz) und die freundliche und überdies wohlklingende Base (Clara Nadeshdin).

Aber so fein die Figuren gezeichnet sind, es bleibt mühevoll, eine Oper in einer Sprache zu hören, von der man außer Ježíš Maria, Jesus Maria, nichts so wirklich versteht. Zumal das Schielen auf die Übertitel keine Dauerlösung ist. Vermutlich wusste das Publikum früher, als man noch Deutsch sang, mehr von Janáček. Und, Unter den Linden, nach Katja Kabanova und Jenůfa bitte keine weitere mit Bühnen-Kälte, Eis, Frost-Metaphern und kühler Seelenleere jonglierende Janáček-Deutung.

Manacorda leitet mit einem Näschen fürs Legato bei Janáček.

Besuchte Vorstellung: Donnerstag