Metzmacher dirigiert in der Philharmonie Reger und Adams, Klavierkonzert und Harmonielehre.

Ein hörenswertes Konzert des DSO.

Reger war nie unumstritten. Paul Bekker berichtete im Todesjahr 1916 von einer in Splitter und Splitterchen von Ideen zerfaserten Melodik sowie sinnlich reizloser Kunst.

Regers Klavierkonzert op. 114, 1910 unter Nikisch mit dem Gewandhausorchester erstaufgeführt, ist dreisätzig, kürzer als Brahms‘ Erstes und Zweites, steht in f-Moll wie Chopins und Rubinsteins Zweites. Dem vermeintlichen Cliché vom dick instrumentierenden Reger entspräche nur der bei aller Wucht klar gegliederte Kopfsatz. Das Largo ist ein beeindruckender Satz etwa im religioso-Ton, das Finale ein ungestümer Kehraus, dessen drei Themen, besonders das an Schumann gemahnende 2., allesamt entzücken. Ingo Metzmacher lässt dem Konzert die monumentale Erregtheit, transformiert freilich seinen Wilhelminismus in tollkühne Verve. Metzmacher groovt das DSO ein in die weiträumige Architektur von Opus 114. Und die Musiker finden immer wieder Stellen solistischer Schwärmerei.

Adorno urteilte 1927 anlässlich des, übrigens mit Gieseking, Clemens Krauss und Hindemith prominent besetzten, Regerfests in Frankfurt am Main: Regers Musik sei, konstitutiv zeitfremd, eine des expropriierten, gebildeten Vorkriegsmittelstands. Reger, der Abgott des durch Weltkrieg und Inflation Bankrott gegangenen Bildungsbürgertrums? Das DSO jedenfalls musiziert selbstbewusst, mit nüchternem Schmackes und polyphonem Gusto. Und hallo? Natürlich hört man, wie energisch genau und dabei bravourös das alles komponiert ist. Markus Becker ist am Flügel der gewissenhafte, nicht fehlerfreie, prosaische Interpret. Die Bezeichnung „spätromantisch“ für solche Musik scheint unglücklich. Besser wäre, von Moderne zu sprechen für alles nach 1900 Komponierte.

DSO Ingo Metzmacher Reger Klavierkonzert, Adams Harmonielehre

Harmonielehre von John Adams, 1985 entstanden, ist ein leuchtendes Stück Musik, voll Phantasie, Kraft. Und überzuckert wird das 40-minütige Stück von den hinreißend ballenden Höhepunkten. Die Satztitel- und anlässe – Supertanker, Parsifal, Traum von der Tochter und Meister Eckhart – öffnen aufregende Assoziationsräume. Der Klang der Ecksätze ist blendend hell, perlend glitzern die zwei Harfen, die Trompete führt. Im 3. Satz höre ich Himmelblau, Pinkrosa, Zitronengelb. Der Schluss strafft sich kühn wie die Coda eines Bruckner-Allegros. Viel Applaus.

Und zu Beginn hört man von Anton Plate Casino, die Uraufführung des Abends, offenbar eine Allegorie der haarsträubenden Schlechtigkeit allen Lebens, was mit haarsträubend virtuosen Tuttis veranschaulicht wird. Der Stil ist der altmeisterlicher Beherrschung aller Orchesterkniffe. Wie immer zieht das Gute, vermutlich durch zwei beunruhigende Einbrüche von lyrischer Ruhe repräsentiert, den Kürzeren.

Ein prachtvolles Konzert in maßvoll gefüllter Berliner Philharmonie.