Ein Konzert am Gendarmenmarkt mit dem Konzerthausorchester lässt die Funken zwischen Sibelius, Berg und Skrijabin springen. Skrijabin ist am lautesten, Sibelius am leisesten – und Leila Josefowicz eine tolle Geigerin.

Ist die 4. Sinfonie die kargste in Sibelius‘ siebenteiligem symphonischen Schaffen? Auf jeden Fall wirken die Melodielinien besonders sparsam gesetzt, während die hymnischen Aufschwünge der 3. Sinfonie weitwgehend fehlen. Der Finne Hannu Lintu, hager, kleine Nase, Sneakers, dies sein Debüt beim Konzerthausorchester, ordnet diese karge sinfonische Landschaft mit kühler Leidenschaft, und ist dabei einiges schneller wie der 2010 und 2015 bei den Philharmonikern zyklusmäßig bei Sibelius aktiv gewordene Rattle. Im Übrigen ist es fast unheimlich, wie aufregend modern damals im hohen Norden komponiert wurde, Sibelius plagten diesbezüglich bekanntlich fast schon grotesk zu nennende Selbstzweifel. In diesem a-Moll-Werk stechen Parsifal-Beeinflussungen hervor, resignative Tonlagen in den Rahmensätzen etwa, die kühle Pracht der Blechbläsereinwürfe in Satz 3.

Leila Josefowicz Berlin Konzerthaus ALban Berg Violinkonzert

Das Violinkonzert von Alban Berg (1935) verdankt seine Beliebtheit nicht zuletzt dem Umstand, dass es als tönendes Requiem für Manon Gropius, Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius, dient. Der Untertitel lautet: „Dem Andenken eines Engels“. Dennoch ist das zweisätzige Werk verflucht schwierig zu hören. Da konnte Berg noch so clever Wiener Walzernostalgie mit deutschem Protestanten-Trost verbandeln. Die Kanadierin Leila Josefowicz (Kleid als käme es aus der Bauhausmeisterklasse von Gunta Stölzl) spielt mit Hingabe und üppiger Geigengestik. Glaubt man Josefowicz, so war Manon, die in Satz 1 porträtiert wird, ein Teenager von grenzenloser Kühnheit. Lintu, der das Tempo hoch hält, verschmäht die sezierende Lesart und langt tatkräftig sinfonisch zu (Tutti-Ausschweifungen).

Lintu dirigiert Sibelius und Berg aufrecht stehend, den Oberkörper kaum aus der Senkrechten neigend. Erst bei Skrijabin kommen die Rückenfalten seines Jackets in Bewegung.

Hannu Lintu Berlin Konzerthaus

Für Skrijabins Poème de l’extase, aus dem Lintu eine Schlussapotheose von aggressiver Klangdichte kitzelt, habe ich danach nur noch ein halbes Ohr, teils auch, weil es derzeit schwierig ist, Bewunderung für russische Werke zu empfinden.