Warum nicht in den Trovatore mit der im absoluten Hochattraktivitätsbereich verorteten Marina Rebeka, die ich noch nicht live gehört habe?
Die Neuinszenierung (2013) von Il Trovatore verdankte sich dem Wechsel von Anna Netrebko ins Spinto-Fach. Und seitdem die Deutsche Oper ihre gestochen scharfe Neuenfels-Arbeit 2018 in den Ruhestand geschickt hat, darf man froh sein, dass Stölzls knallbunter Troubadour den Umzug vom Schillertheater zurück Unter die Linden überlebt hat.
Die Regie von Philipp Stölzl versteht Verdis dramma lirico als Tummelplatz ungefilterter Primär-Affekte: Liebe, Rache, Hass. Plakativ die Bühnenleuchtfarben – direkt von Ernst Ludwig Kirchner. Puppenhaft die Frauen – Figurinen im Reifrock. Stellt der Bühnenquader eine Wanderbühne dar? Aber die Personenregie lässt die Bühnenakteure spannend interagieren. Und der krasse Antinaturalismus bläst den Staub von Verdis Rachedrama.
Marina Rebeka ist Leonora. Die Stimme ist dunkel, voll, Rebekas Farbpalette mischt Nolde-Violett und Tizian-Rot. Volumen und Klang erinnern an Netrebko, aber der Klangzauber von Rebekas Stimme tönt herber. Wenn auch Piani nicht so souverän wie bei der Russin in den Saal schweben. Die Aufschwünge der Kavatine im ersten Akt, Tacea la notte, gelingen der Lettin verführerischer als die Verzierungen der Arie im vierten (D’amor sull‘ ali). Voll vokaler Energie die Cabaletten: Di tale amor und Tu vedrai. Überhaupt kann man in Berlin mit den Leonoren der letzten Jahre – Netrebko, Meade, Monastyrska – zufrieden sein. Nur was ist denn jetzt die Leonora, verschwärmtes Kastellfräulein oder heißblütige Ibererin? Signor Stölzl?

Warum sich Leonore ausgerechnet Manrico ausgeguckt hat, den schluffigen Outcast, der nicht weiß, was er soll im Leben? Den singt Ivan Magri klar, kraftvoll, mit guter Höhe und etwas farbloser Mezzavoce. Arie und berühmte Cabaletta des dritten Akts haben Verve und Drama. Für die spasimi der Rache und des Hasses hat Vladislav Sulimsky (Cinquecento-Brustpanzer und dunkles Wams) energische, temperamentreiche, mehr slawisch breiter als italienisch geformte Bariton-Kraft. Ordentlich die Azucena der Elena Maximowa, Mezzo-dunkel, kraftvoll, die Haare vom Schicksal zerzaust wie ihr Ziehsohn Manrico.
Treffend das Porträt kleinkarierten Kammerzofentums durch Ekaterina Chayka-Rubinstein (Inez), und sie macht das auch vokal sehr lebendig. Den Ferrando verkörpert pracht-und kraftvoll Grigory Shkarupa. Der schmächtige Ruiz (Florian Hoffmann) komplettiert das Verdi-Ensemble. Ich möchte einmal einen Repertoire-Troubadour erleben, bei dem mit dem Chor ordentlich geprobt wurde. Dirigent Axel Kober kommt anfangs überhaupt nicht mit dem Tempo der Sänger zurecht, liefert dann aber akzeptables Verdi-Feuer.
Magri versucht eine Renaissance schon ausgestorben geglaubter Tenor-Unarten, indem er während des Schlussapplauses dem Publikum minutenlang Verbeugungen, Dankbarkeitsbekundigungen und Kniefälle zumutet. Hätte seine Leonora Gheorghiu geheißen, wäre sie schäumend vor Wut abgerauscht und hätte sich wahrscheinlich geweigert, die nächste Vorstellung zusammen mit ihm zu singen. Das klatschende Publikum nahm Magris Posieren gnädig-amüsiert zur Kenntnis.
Besuchte Vorstellung: Freitag
Was für ein unsinnigen Kommentar… La Gheorghiu hat gestern Abend, für die ganze Tosca Vorstellung in der Staatsoper, einen sehr erkrankten (sogar stimmlosen) Marcelo Alvarez unterstützt. Und Sie war einfach großartig!
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In Punkto Liebe, kann der Autor des Blogs durchaus nochwas lernen, I agree ! Das geht und alle an…
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Tja… die Kommentare die den Author nicht gefallen sind nicht da…
Gheorghiu war großartig in der Tosca Vorstellung gestern Abend und hat die ganze Vorstellung einen sehr erkrankten, sogar stimmlosen, Alvarez unterstützt!
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Wir nehmen an, sie kam zur rechten Zeit aus der Versenkung ? Ah, libero passo a Floria Tosca, e al cavalier, che l’accompagna ?
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Schlusnus Il balen
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Jonas Kaufmann nahm Unterricht bei Josef Metternich, und dieser sagte ihm angeblich, als echter Kölner :
Man muß dat Tier in dir erus lassen. Un wenn et ers‘ mal da erusjekomme is, dann will et niemals mehr zurück.
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Opern, die an der Staatsoper lange nicht zu sehen waren: Otello, Nabucco, Hoffmann, Puritani, Trittico, Lady Macbeth, Lucia, Bajazzo, Cavalleria. Lady Macbeth bitte derzeit nicht. Nabucco und Hoffmann reicht auch jeweils einmal in Berlin.
Dann lieber Verdis Ernani oder Lombardi oder Henzes Prinz von Homburg wäre auch schick. Oder Nielsens Maskerade. Von Strauss Friedenstag oder Helena. Und Gounods Faust hats auch nicht zurück Unter die Linden geschafft.
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Verkaufte Braut. Rusalka. Erstere ginge auch an der Komischen, die zweite nicht. Da brauchr man zumindest eine große Sängerin, und einen Dirigenten, der Wärme erzeugen kann. Ich kenne da in Berlin (fast) nur einen.
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Rusalka mit Stoyanova und Thielemann. In der Aida hats ja schon gut geklappt.
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Der Prinz : Lohengrin, wie in Wien. Oder ein Tscheche, der das noch besser kann.
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Trittico ist ein ganz heißer Kandidat. So gut wie Petrenko in München? Rattle könnte es doch mal versuchen.
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Die Ägyptische vom Strauss ist ja fast so was wie der Ring : eineinhalb Stunden langes Palaver und dann ein großer Schluss. Muß ich nicht sehen.
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Magri hab ich nur einmal gesehn im Rigoletto an der Deutschen, aber er ist mir noch immer im Gedächtnis geblieben. Das Gegenteil eines Gebrauchstenors, sondern einer, der kultiviert und schön sang, wie es seinen Möglichkeiten entprach. Mehr kann man doch fürs Repertoire gar nicht wollen.
Soll ich mal so ein paar „Gebrauchstenöre‘ aufzählen?
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