Nanu? Die Deutsche Oper zu Gast im Konzerthaus? So (relativ) ungewohnt der Ort, so (relativ) unbekannt das Werk: Eine florentinische Tragödie. Wobei Zemlinkys Mini-Oper von Theatermachern wiederentdeckt und immer häufiger zum Operndoppel geschnürt wird. Etwa zusammen mit dem feinsinnig sprühenden Gianni Schicchi (Amsterdam, Rom), mit Poulencs Voix Humaine (Bilbao), den unverwüstlichen Paggliacci (Monte Carlo), mit Zemlinskys eigenem Zwerg (Lübeck, L.A.) oder ganz exotisch mit Bernsteins Trouble in Tahiti (Kaiserslautern).

Eine Florentinische Tragödie Konzerthaus Berlin

Im Konzerthaus gibt man die Florentinische Tragödie konzertant, weswegen man in der Kombination freier ist – aber nicht weniger erfindungsreich. Will sagen, vorher hört man im prachtvollen, aber nur mäßig prachtvoll gefüllten Großen Saal die Shakespeare-Suite Viel Lärmen um Nichts von Korngold sowie Bergs Sieben frühe Lieder. Die schnippische Suite blitzt in reueloser Sentimentalität.

Bergs Lieder – angesiedelt auf der schattenreichen, anregend durchlässigen Gratschneide zwischen Spät- und Neoromantik – singt Dorottya Láng mit schön gerundeter Mezzostimme und konturenweicher Fülle (die Höhe besser als die Tiefe). Und einen Mezzo ohne den kleinsten Spritzer Säure gibts auch nicht so oft. Leider hisst die Ungarin die weiße Flagge, sobald die Musik nur die kleinste persönliche Textausdeutung fordert.

Wolfgang Koch, Marc Albrecht; Jennifer Holloway Berlin 2022

Das Libretto von Eine Florentinische Tragödie stammt wie das von Straussens Salome von Oscar Wilde, übersetzt hat es Max Meyerfeld. Krudheit und Genialität finden sich darin, Zemlinskys Musik glitzert bald sinnenschwül, und packt bald herzhaft dramatisch zu. Die so auffällige, herbe Tatmenschen feiernde Renaissance-Thematik kennt man von Schrekers zeitgleichen Gezeichneten. Bei Zemlinsky ist es der Kaufmann Simone, der den Geliebten seiner Frau erwürgt.

Jennifer Holloway Zemlinsky Florentinische Tragödie

Zemlinsky komponiert diese aufs Äußerste komprimierte Dreiecksgeschichte aufrauschend erregend, in tausend Farben glühend und leidenschaftsdurchrauscht. Auch sängerisch passt das heute Abend hervorragend. Wolfgang Kochs Simone ist so sangesmächtig, dass er jedes Parlando singt und jede Kantilene silbengenau deklamiert, als stünde er im Deutschen Theater auf der Bühne. Tenor AJ Glueckert agiert als Liebhaber und Herzogssohn mit formidabel leichten Höhen (und nicht minder wortdeutlich), und Jennifer Holloway bringt das Kunststück fertig, „in zarter Begeisterung“ in neuer Liebe zu ihrem Mann zu erglühen, nachdem der ihren Liebhaber erdrosselt hat. Marc Albrecht, am Pult empathisch mitgehend, findet den goldenen Mittelweg zwischen spontanem Musizierfluss und der Übersicht, die erst das Verständnis schafft.

Ein schöner, aufschlussreicher Abend, der zumindest teilweise entschädigt für den ersatzlosen, Corona-bedingten Ausfall der letzten Vorstellungen von Zemlinskys prächtigem Zwerg im Haus an der Bismarckstraße.