Zweites Abokonzert der Staatskapelle. Ein reiner Schumannabend im Großen Saal der Staatsoper. Dritte, Vierte, Cellokonzert. Über gelungene Schumannkonzerte ist besonders schwer zu schreiben. Jeder kennt die Sinfonien: Frühling, Rhein, Dom, Es-Dur, d-Moll. Dazu dann Frau Schumanns kluge Kommentare und Brahms‘ Klage über die Zweitfassung von Nr. 4. Aber zuerst kurz zu Schumanns Violoncellokonzert, uraufgeführt vermutlich 1860 in Oldenburg. Das Autograph nennt es noch Concertstück. Der Österreicher Kian Soltani spielt es mit sehnsüchtig schlankem, immer auf Linie gehaltenem, frischem und nie ausfransendem Ton. Das Spätstilstück packt gerade durch das verhaltene Tutti, durch den von Innigkeit gebremsten Sonatenschwung. Dies lyrisch durchpulste Terrain liegt Soltani. Er deklamiert innig.
Und ins Ohrwurm-Finale stürmt er feurig, um es nobel drängend zu bewältigen. Ich dachte manchmal, Soltani wäre eine Art Barenboim-Protégé. Aber hier gibt es nichts zu protegieren. Der Mann kann es einfach. Die Sinfonien Nr. 3 und 4 spielt die Staatskapelle weniger reaktionsschnell als die Philharmoniker. Dafür warmtöniger. Warm, rund, dunkelgrundiert, plastisch holt Barenboim den Klang in den Saal. So leuchten die genrehaften Kerne der Binnensätze (besonders der Dritten) keinesfalls nur im behäbigen Biedermeier. Sondern erhalten Weite und Breite. Die rahmenden Lebhaft-Sätze sind ganz Sprache, Ausdruck. So hört man die radikalen Form-Abbrüche, die sämtliche Schumannsinfonien durchziehen, in neuer Unmittelbarkeit. Da tauchen ja immer und überall vollständig neue Themen auf, in der Durchführung, in der Coda. Oder die Reprise kommt fast ohne Hauptthema aus. Mozart machte solche Tollheiten auch.
Ádám Fischer in verschiedenen Stadien der Erleuchtung / Foto: Digital Concert Hall/berliner-philharmoniker-de
Am Samstag spielen die Berliner Philharmoniker Haydn und Mozart. Ich bin weniger angetan wie zwei Berliner Pressevertreter, siehe die Links unten. Von Mozart höre ich die Sinfonie Nr. 33 (komponiert Juni 1779, keine Flöten, keine Trompeten, keine Pauke, Menuett aus den 1780ern). Apropos Tollheiten. Die Durchführung im ersten Allegro wird ohne jegliches Hauptthemenmaterial bestritten, im Andante ertönt das Thema erst ganz am Schluss der Reprise.
Ádám Fischer coacht die Philharmoniker mit Attitüde, aber auch mit unanfechtbarem Charisma. Heraus kommt ein freundlicher Mozart. Aber kein packender. Im Finale hört man dieses enthusiastische Streicher-Bläser-Gewebe, in das Mozart drei hinreißende Themen einbettet. Ich höre wenig Drama, da sind keine durchpulsten Durchblicke aufs Subjektive, keine Nelsons-Verfeinerungen. Fischers Dirigierstil hat zwei Komponenten: Anfeuern und Machenlassen. Haydns Sinfonie Nr. 104 schallt ähnlich sauber. Am besten trifft Fischer das Finale, wo entspanntes Drauflos- und Miteinandermusizieren dominieren. Das Allegro zu Beginn könnte mehr Sonatenpfeffer vertragen. Fischer versucht nicht, aus dem Menuett ein Scherzo zu machen. Gut. Und im Trio entzücken die intimen Mauscheleien im 3/4-Takt. Also: Manches ist wunderschön, anderes trocken. Samstags in der Concert Hall gehört.
Mitreißend der Auftritt des Rundfunkchors im kurzen d-Moll-Kyrie KV 341. Gesungen wird glasklar, wunderbar beherrscht, unumstößlich vital.
So was finde ich interessant. Der Podiumsboden in der Philharmonie wurde erneuert. Auch wenn mehr Hintergrundinfo von einem Akustiker – etwas mehr Wissenschaft, Sie wissen schon – nett gewesen wäre.
Weitere Kritiken: Permanent Koffein (Andreas Göbel), Sogar sehr üppig vibrieren (Felix Stephan)
Geniale Screenshots von Fischer. Im Dezember leiste ich mir auch wieder Digital Concert Hall
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Mein Sohn wurde vom Rundfunkchor und Melinda Parsons erst angenommen
weil er besser sang als die Altergenossen
aber dann von allen Chorleiterinnenn aussortiert
weil er sich nicht unterordnen wollte
geht ja nicht, wenn einer immer dazwischen singt
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Na ja, Staats- und Domchor halt. Eine dieser preussischen Institutionen eben. Aber was solls, nun war Corona und jetzt hat er schon Stimmbruch, also wozu hätt‘ er sich denn disziplinieren sollen.
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Es wäre schön, wenn die Berliner Philharmonie mal endlich ihre Türen ölen könnte.
So daß es nicht so sehr quietscht, wenn man vor der Pause geht.
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MIt dem Paukenschlag :
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Ich durfte eines der ersten Auftritte von Kian Soltani in Vorarlberg rezensieren… was schon sehr gut war 🌈
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