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Einige Notizen zum gestrigen Konzert.

Dass die Grußworte von Mateusz Morawiecki und Angela Merkel in die jeweils andere Sprache übersetzt werden, ist wichtig, dass dies bei der Rede von Herrn Morawiecki durch eine Österreicherin mit mittelmäßiger Aussprache und etlichen eingestreuten „Äh“s geschieht, dürfte eher nicht im Sinne des Erfinders von Gedenkkonzerten sein. Habe ich richtig verstanden und gesehen, so nimmt im Großen Saal der Staatsoper die Auschwitz-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch bei Merkel Platz.

Den Grußworten folgen ein kurzes und ein langes Stück.

Schönbergs Ein Überlebender aus Warschau ist auch an diesem Abend ein Stück Musik, das expressionistische Gesten schockartig verknappt und sich in Detail wie als Ganzes scharf wie ein Glassplitter erweist. Ob Thomas Quasthoff die beste Besetzung für die (englische) Sprechrolle des Überlebenden ist, sei dahingestellt. Das Einsetzen des Schma Jisrael (שְׁמַע יִשְׂרָאֵל) reißt bei jeder Aufführung wieder mit (Männer des Staatsopernchores, sträflich ungenau singend).

Von Heroismus ist in der Sinfonie Nr. 3 von Beethoven heute nicht viel zu hören. Stattdessen hört man ein souveränes, behutsam nach Stimmen gestaffeltes, an den Rändern pastos zerfließendes Tutti der Staatskapelle, das noch die störrischen sforzato-Blöcke der Durchführung in ein strömendes Ganzes einordnet. Ganz so, als gälte es, der Dialektik von Individuum und symphonischem Großen und Ganzen eine menschliche Note abzugewinnen.

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Bevor es losgeht. Merkels Pult, Barenboims Podest.

Im Zentrum steht freilich die Interpretation des Trauermarschs. Ihr gelingt heute Abend der Anfang und Ende zusammendenkende Bogenschlag über Moll- und Dur-Themen mitsamt Fugato hinweg. Und ganz nebenbei wird dieser marcia funebre zu einem Drahtseilakt aus Zögern und Stocken, aus Reden und Schweigen (Streicher: sinnliches Timbre, Solo-Oboe zieht ihre Kreise). Das Scherzo reüssiert als kurzweilige pianissimostaccato-Studie mit angriffslustigem Hörner-Trio, und das Finale ringt der Prometheus-Thematik seine beflügelnd-humane Seite ab.

Ein in mehrerlei Sinn bewegendes Konzert.