Überraschung. Zubin Mehta und nicht Barenboim steht am Pult, wenn es Unter den Linden in Falstaff um Ehre und Diebe, um Wänste und Liebe geht. Mehta lässt Verdis Lebensendwerk in entspannter Spannung leuchten, fügt rhythmische Lockerheit hinzu, lässt Tutti-Biss und sinnliche Schönheit einfließen – und bleibt gemach im Tempo. Es ist ein sehr ausgewogenes, Brio und cantabilità geschmeidig vereinendes Dirigat. Mehta muss sich nichts mehr beweisen. Der Applaus vor und nach dem dritten Akt ist groß.
Lucio Gallo bringt aus Italien eine feste
und kräftige, gut fokussierte Baritonstimme mit, schlägt sich in der Titelpartie ordentlich, obgleich die Fußstapfen von Ex-Falstaff Volle sich als groß erweisen. Der zart ergraute Gallo ist ein Ritter ohne Wanst, fast mager ist der Schenkel, und auf der Bühne müht sich der Italiener bei allem Eifer ein bissl hölzern. Auch vokal könnte das nach mehr Ausdrucksfacetten tönen. In der Rolle des Ford (nervöser Neureicher mit Anfällen von Macho-Allüren) bringt Alfredo Daza Stil und Grandezza auf die Bühne und ist dabei immer auf die (sinnlich vibrierende) vokale Linie bedacht.
Für das gewitzte Damen-Quartett zeichnen Alice Barbara Frittoli (mit reifem Sopranklang), Quickly Daniela Barcellona, die als durchtrieben lockende Maklerin der Liebe, die um ihre Reize weiß, pikante Kontur gewinnt, Cristina Damian (Meg, Typ rotes Biest) und Nannetta Slávka Zámečníková (Sopran von sanfter Textur und zart ausschwingender Linie, aber ohne Nadine Sierras sprudelnde Spontaneität) verantwortlich. Ein Genuss, wenn alle Frauen auf einmal loslegen, wobei da Lebhaftigkeit vor Präzision geht, vielleicht weil Mehta im Graben ungenau schlägt oder weil gleich zwei von ihnen neu sind.
Als Schwiegersohn in spe dreht Jürgen Sacher (Cajus) seine Tenor-Kreise durchaus mit Verve (Eingangsszene!). Als tenore leggiero ist mir Francesco Demuro immer noch einer der liebsten Tenor-Erfahrungen, insbesondere als Fenton, wo er schlanke Anmut und aufregend klares Timbre zu einem höchst hörenswerten Tenor-Paket schnürt. Den Handlangern Falstaffs, Bardolfo Stephan Rügamer und Pistola Jan Martiník, mag man fast Charakterschwäche vorhalten, da sie ihren Chef Falstaff so schnöde hintergehen. Mit unwiderstehlicher Elfenmacht singen sich die Frauen des Staatsopernchors durch den 3. Akt.

Wenn dann die Staatskapelle noch so vollmundig und irgendwie schlank rauscht, dann ist alles in Ordnung. Mit 83 Jahren kommt Mehta Platzhirsch Barenboim auch nicht ins Gehege; im Gegenteil, so hat Barenboim Gelegenheit, sich jung zu fühlen. Nur einmal musiziert der Alt-Maestro munter los, während hinter dem Vorhang noch umgebaut wird. Das Orchester grinst, kurz darauf geht es dann zum zweiten Mal los, und diesmal stimmt alles, auch der Einsatz des Maestros.
In zwei Wochen leitet Mehta die sehnlich erwartete Rosenkavalier-Premiere. Im Februar steht er einem Konzert mit Argerich vor. Fast kann man von Mehta-Wochen in Berlin sprechen.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich in den 7oern Mehta zusammen mit Leonie Rysanek in der salome gehört habe, glaube aber ja.
Ich habe ihn in den letzten Jahren nur im TV erlebt und langweile mich bei ihm. Damals in meinen sehr jungen Jahren habe ich geglüht, aber heute. Seinen Rosenkavalier tue ich mir mit Sicherheit nicht an, liegt aber nicht nur an ihm
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Kein einziges Wort zur vergurkten Inszenierung?
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Ich teile den Eindruck von Merker überhaupt nicht. Auch nach dem fünften Besuch dieser Produktion fühle ich mich rundum gut unterhalten und habe dennoch den Eindruck dass die Inszenierung sich nicht selbstherrlich über die herrliche Musik von Verdi erhebt. Gallo war auch für mich eine leichte Enttäuschung, die Ausstrahlung ließ zu wünschen übrig und ein guter Darsteller ist er eher nicht zudem auch das vokale Format vergangener Jahre nicht mehr so zu hören ist. Die Vorstellungen mit Mehta sind insgesamt sehr erfreulich, Mehta agiert ohne jede Starallüre, dabei sehr stimmig obwohl weniger packend als der Chef. Auch Zamecníkóva macht ihre Sache gut. Christina Damian war ein Gewinn gegenüber Kammerloher. Daza mag vom Material her nicht in der ersten Reihe stehen, aber was er aus der Rolle macht ist absolut überzeugend.
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Mehta hat nur mehr wenig Kraft. Das war ein fast kammermusikalischer Falstaff. Vor 15 Jahren klang das bei ihm noch ganz anders. Auf jeden Fall klang es nie nach Wagner, so wie beim Chef.
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„Bravo, bravo, generale !“
Singt der Chor, wenn Ford alle anderen dirigiert, um den Paravent konzertiert umzuschmeißen. „Voi sarete l’ala destra, voi sareta alla sinistra.“
Manchmal dauert es 30 Jahre, um solche Kleinigkeiten zu hören.
Slávka Zámečníková hat die schönste Nannetta-Arie gesungen, die ich seit 30 Jahren gehört habe. Mit Gefühl, slowakischer Wärme und Ausdruck. (Mehta hatte auch dem Horn zuvor gesagt, es solle doch bitte wieder romantisch und nicht wie ein Jagdhorn blasen). Das hab‘ ich ihr auch auf Instagram geschrieben. Nicht jede kriegt ein Festengagement in Wien. Das frühere Nannerl hatte eher schöne Beine.
Gallo war ein extremer Falstaff. Un Falstaff sottile, durch und durch. Paggio forever. Zwischendurch ein perfekter Ford. Aber den hat er hinter sich gelassen. Ich habe schon viel schlimmere Falstaffs gesehen, Bernd Weikl, wie er unter Mehta il suo addome immenso über die Bühne schaukelte und keine Lust mehr hatte. In questo addome, c’e un migliaio di lingue che annunciano il suo nome…
Am Schluß machte er’s wie weiland Hermann Prey als Mozarts Figaro (aprite un po gli occhi, uomini incauti e sciocchi) und durchbrach die 5te Wand. Warum nicht ? Stand bestimmt so nicht in der Regie.
Habe mich sehr gefreut über die Vorstellung und fand den alten Mehta, wie er am Ende vorsichtig zu den anderen auf die Bühne tapste sehr rührend. Ich hoffe, daß ich am Ende bei ihm im Rosenkavalier doch noch lernen kann, dieser Oper etwas abzugewinnen, schließlich gibt es da den besten Ochs aller Zeiten namens Günter Groissböck. Kein fetter alter Falstaff, den niemand lieben kann, sondern ein junger , etwas ungehobelter Adliger mit viel Geld, der durchaus noch eine gute Partie wäre – wenn da nicht die Liebe in die Quere käme.
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Ochs hat viel Geld ? Und ihm kommt die Liebe in die Quere ? Ist eine gute Partie ?
da hab‘ ich wohl was nicht recht verstanden ?
mei o mei, man lernt nie aus
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Jürgen Sacher als Dr. Cajus chargierte fast unerträglich. Nehmt lieber den Gideon Poppe von der deutschen Oper, der kann das !
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Im übrigen verstehe ich jetzt, warum ich die Slavka alias Nannetta so toll fand. Sie wurde, wie mir Wikipedia berichtet, in Pressburg oder Bratislava geboren, der Stadt, aus der auch Gabriela, Benackova, Edita Gruberova und – meine eigene Großmutter stammen. Daher kommt das perfekte Gefühl, das niemand sonst zustandebringt.
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Überraschung. Die Nannetta aus Hamburg singt vielleicht hier Sophie :
Elbenita ist was ganz Eigenes und unvergleichlich. Wer sie in der Opera Lounge der DO gehört hat, wird mir zustimmen.
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hier die Spekulation :
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Übrigens hat der Ochs recht wenig Geld. Das ist mir als Nicht-Rosenkavalier-Kenner jetzt auch aufgegangen.
Keine Nacht..- mir zu lang.
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