Das Strawinsky-Festival im Konzerthaus kullert dem Ende entgegen.
Und spielt das Budapest Festival Orchestra Nebenwerke der 1940er, Psalmensymphonie und Frühlingsopfer.
Die Nebenwerke höre ich heute am liebsten. Die Ungarn starten mit Vier norwegische Impressionen, Scherzo à la russe und Tango. Die drei Werke sind allesamt feine Raritäten, die nicht an Klarheit, Ökonomie und traumhafter Sicherheit sparen. Zur Nachfolge folkloristisch inspirierter „Bilder“ (Debussy, Bartók) gehören die ganz und gar reizenden Impressionen (veröffentlicht als Four Norwegian Moods). Das Scherzo, bunter und deftiger, gibt sich als echtes Antidepressivum, bei dem jede Note stichhaltig ist. Auf den lärmenden Trubel mit Petruschka-Anklängen eingestellt, birgt es im Inneren zwei stillere Trios. Etwas einfacher gestrickt, zumindest in der Orchesterfassung, ist der schillernde Tango, das Orchester stellt hierzu höchstsympathischerweise zwei Orchestermitglieder als Tänzer ab.

Dann die Psalmensymphonie von 1930. Wahre Ohrenöffner sind die instrumentalen Vor- und Nachspiele. Der Beginn ist – staubtrockener Tutti-Viertelschlag, karge Oboen-Fagott-Sechzehntel – einer der besten überhaupt. Auch Satz 2 mit der hinreißenden Aufwärts-Quinte der Oboe und lapidar hinzutretenden Flöten ist ein lakonisches Meisterstück, ohne die Idee des Symphonischen aufzugeben. Dazu serviert der RIAS Kammerchor die archaische Schönheit der Gesangslinien als nackten Psalmenklang, ganz wie Fürst Igor das vermutlich wollte. Ein Erlebnis ist auch der harsche, bläserdominierte Klang (keine Klarinetten, nur tiefe Streicher). Das Orchester entledigt sich seiner Aufgaben vorbildlich.

Ein von Tempo und schlankem Brio gekennzeichneter Sacre du Printemps beendet Konzert und Festival, aber nicht Strawinsky. Eine magyarische Note macht sich im enthusiastisch pochenden Streicher-Ostinato (Tanz der jungen Mädchen) sofort hörbar. Schade, dass Straffheit und Komplexität zusehends das Nachsehen haben. Da macht Iván Fischer am Pult des Orchesters doch ganz den Eindruck, als wollte er den schnöden Russen in der ungarischen Gulaschkanone weichkochen.
Weitere Kritik: Knallzensiert (Hundert11), Der Geist des Widerspruchs (Sascha Krieger)
Hier meine Kritik des Konzerts mit dem Concertgebouworkest vom Montag lesen.