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Das Interessante waren das Doppelkonzert und die Zugaben.

Brahms – und Johann Strauss Sohn – spielen die Wiener Philharmoniker im Konzerthaus Berlin.

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Blumen für die Wiener Philharmoniker, hier vor der Pause…

Im Konzert für Violine und Violoncello (1887) gehören die Solisten nicht nur dem Orchester an, ihr Klang wächst geradezu organisch aus dem Orchester hervor. Volkhard Steude (Violine) und Peter Somodari (Violoncello) vollbringen dieses Meisterstück im selten gehörten Brahms-Doppelkonzert. 

So ähnlich sind die beiden sich in Phrasierung, Ton und Musizierhaltung, dass Geiger Steude und Cellist Somodari wie siamesische Zwillinge anmuten, als wären sie nicht nur ein Herz und eine Seele mit Brahms, sondern auch miteinander und mit dem Orchester.

Man staunt über einiges.

So beiläufig-intim wird das Brahms’sche Fortspinnen von Themen, Motiven und Gesten wohl nur bei den Wiener Philharmonikern vorgeführt. Das solchermaßen gestendurchwehte, weich-tentakelhaft sich verzweigende Orchester wirkt wie ein einziger Sottovocegesang, Spannung und Entspannung folgen einander in unaufhörlicher, fast kammermusikalischer Verflechtung. Wie dicht und doch transparent komponiert hat hier Brahms. Eine Tendenz zur Durchleuchtung und Hinterleuchtung, ja Durchwärmung durchzieht die Interpretation. Das tönt sonnig, ja besonnt vom Genie des späten Brahms. Im Finale erscheint das Thema als bezirzender Wiedergänger, das zweite Thema als glückverheißende Melodie. Eine sorgfältige und wunderbar vielsagende Interpretation.

Wie am Dienstag zahlt sich also aus, dass die Philharmoniker aus Wien eine relative Rarität – heute das Doppelkonzert, zuvor Mozarts Flötenkonzert (zumindest, was die Berliner Philharmoniker angeht) – im Tourneeköcher haben.

Die Zugabe: eine virtuos angespitzte und empfindsam dynamisch schattierte Händel-Passacaglia in der Halvorsen-Fassung für Geige und Cello.

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…hier nach der Pause.

Weniger Vergnügen bereitet Brahms‘ Sinfonie Nr. 2.

Sie klingt haargenau so, wie man sie von den Wienern unter Franz Welser-Möst erwartet.

Das Orchester spielt legatosatt, mit warm leuchtenden Streichern und körperhaft warmen Bläsern, Welser-Möst holt aus der Partitur eine ausdetaillierte Klarheit, eine wunderbar durchsichtige Artikulation. Die Einbindung des Thematischen in den Musizierfluss gelingt stupend. Das Dynamikspektrum meidet Extrembereiche. Das Tempo ist minimal zügig, nicht aber im Adagio non troppo. Dennoch erscheint der innige Ton im langsamen Satz unmerklich versachlicht – vielleicht Folge der Gelassenheit des romantischen Klassizisten, der Welser-Möst ist. Vor drohender Erstarrung bewahrt die Zweite Welser-Mösts unterschwellige Nervosität. Dennoch macht sich das Fehlen von Brio und Spontaneität bemerkbar. Das ist mir zu viel des unauffällig Selbstverständlichen. Die Zweite wirkt so ungewöhnlich moderat, fast unpersönlich.

Franz Welser-Möst vollführt mit der linken Hand kleinräumig gleitende Bewegungen, die den Fluss der Musik mit großartiger Feinfühligkeit nach-, mit- und vorformen.

Die Zugaben: der Konzertwalzer Rosen aus dem Süden, mit beredter Klarheit ausgebreitet, und eine Schnellpolka, ich weiß nur nicht welche*. In beiden Zugaben glänzen die Schlagzeuger mit einer unnachahmlichen Verbindung von Lässigkeit und Perfektion.

* Es handelt sich um die Schnellpolka Bahn frei von Eduard Strauß, wie Konzertgänger Hundert11 herausgefunden hat.


Weitere Kritik: von Hundert11 und Sascha Krieger.

Kritik des Berliner Konzerts der Wiener Philharmoniker vom Dienstag (Muti, Bruckner 7.) hier lesen.