Thomas Hampson sagt sehr kurzfristig ab, Patricia Petibon sagt sehr kurzfristig zu.
Statt Schubert nun also ein Programm, das sich kapriziös und kalkuliert exotisch gibt: französische, spanische, lateinamerikanische mélodies und canciones, dazwischen Populäres, ja Gewagtes. Petibon singt Opernschnipsel (O mio babbino caro), schmettert Granada, bietet de Falla, Poulenc, Turina. Das Recital bricht auf, was man gemeinhin unter Liederabend versteht. Man soll merken: Hier werden keine Klassiker beweihräuchert. Es ist ein eloquentes Plädoyer für (zumindest in Mitteleuropa) selten Gehörtes.
Doch damit nicht genug.
Eine Tendenz zum Gesamtkunstwerk wird spürbar, allerdings eine, die wenig mit Wagner und viel mit französischem esprit zu tun hat. Patricia Petibon packt hier ein extravagantes Brillchen aus, bindet sich dort ein rasengrünes Röckchen um, wedelt mit der Federboa, wiegt und biegt sich chansonettenhaft. Man könnte es die Ent-Fischer-Dieskauisierung des Liedrecitals nennen. Nehmen wir das knusprigkrosse Dana Janaína des brasilianischen Komponisten Francisco Mignone, das Petibon spaßig verjault singt (und also mit Abweichungen vom Original) und durch szenischen Witz hübsch belebt. Auch künstlerisch nicht ganz Sattelfestem wie Nicolas Bacris All Through Eternity gilt ihre Aufmerksamkeit.
Natürlich hat Patricia Petibon auch das Zeug für die Klassiker. Sie verfügt über die Nuancen für Les Chemins de l’Amour (Poulenc – Mady Mesplé sang dies einst berückend) und dekliniert in Asturianas (de Falla) das Einmaleins der mantillaschwarzen Melancholie durch. Herrlich atemlos und sicher kontrolliert dann Poulencs Les Gars qui vont à la fête und für Joseph Canteloubes La delaïssádo findet die Sängerin wehmütig-düstere Farben.
Ihre reizend schmächtige Stimme leuchtet, ihr Singen wirkt im kleinen, feinen Boulez-Oval leicht und treffsicher. Petibon singt mit Charme und Anmut, kokettiert mit ihrer fragilen Kindfraustimme, reüssiert aber bei Eifersuchtsszenen (Allí está riyendo aus de Fallas La vida breve) auch mit opernhafter pasión. Nur mit den bisweilen an Intonation und präziser Fassung haarscharf vorbeischießenden Spitzentönen meint es die Französin zu gut. Gewöhnungsbedürftig auch die vibratolosen Haltetöne, hierin ist sie Magdalena Kožena nicht unähnlich.
Die spanischen Lieder gelingen weniger textdeutlich als die französischen, zumindest scheint’s mir so. Pianistin Susan Manoff antwortet dem Flair der Sängerin mit bühnenreifem Temperament. Sie spielt Solopiècen von Tiersen, Collet, Granadas und de Falla.
Ich hab die beiden – Petibon und ihre Pianistin – vor zwei Jahren in Salzburg erlebt mit einem ähnlichen Repertoire. Ich sass damals in der ersten Reihe vor der Sängerin und stand unter Beschuss mit Requisiten. Es war ein ganz neues „Liederabend“ Erlebnis, bei Ihnen anscheinend auch.
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Ja, Programm und Umsetzung sind speziell. Die Sache mit der Intonation störte mich ein bissl, aber die Stimme ist sehr hörenswert. Auch die starke Rollenidentifikation ist man so nicht gewohnt. Aber Petibon bleibt doch stark im Gedächtnis. Es ist schön, mal andere Lieder als Schubert, Schumann, Wolf, Strauss zu hören.
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Höre gerade Livestream Europakonzert BPO aus Bayreuth. Westbroek mit Wagners Wesendonck Liedern, sehr schön, der gute Paavo Järvi nur etwas betulich. Järvi ist bei den Philharmonikern auf einmal wieder en vogue siehe nächste Saison
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Ich hoffe es hat Spaß gemacht. ich war gestern tagsüber an der frischen Luft
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Aber sicher. Obwohl, Järvi…. Aber Westbroek! Man kann nicht sagen dass die Dame die feinsinnigste Sängerin ist aber ordentlich was rüber kommt bei Westbroek immer. War ein großes Vergnügen :-)
Erstaunlich dass Thielemann 18/19 nicht kommt
Und echt witzig wie die Phillies die Tatsache schönreden dass Signore P. nur 1 Abokonzert leitet! Hat der Angst vor Berlin? Langsam wird’s auffällig
Dann noch die üblichen Langweiler, Gatti, Blomstedt, Järvi
Aber Hrusa und Carydis
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