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2015 war (umjubelte) Premiere, jetzt ist Schluss mit Mehrfachmord und liebevoll auskomponiertem Beischlaf.
An der Deutschen Oper geht die letzte Lady Macbeth von Mzensk in der Regie von Ole Anders Tandberg über die Bühne. Man vergisst es gerne: 1934, bei der Leningrader Uraufführung dieses schrillen, bösen Musiktheaterstücks, war Schostakowitsch zarte 28. Spätestens seit den 1990ern gehört „Lady Macbeth“ zum Repertoirekernbestand.
Tandberg taucht Schostakowitschs Parabel über Leid und Untergang einer Kaufmannsfrau in das schwärzeste Nachtdunkel. Der Ort: irgendwo zwischen Trondheim und Murmansk. Die Zeit: Jetztzeit. Tempo und Drive stimmen. Nur ist es ein bisserl die Krux dieser Inszenierung, dass Tandberg sich nicht zwischen rabenscharzem Realismus und Surreal-Satire entscheiden kann. Hier real existierende Fischwirtschaft, dort surreal existierende Blaskapelle. Hier grau-in-graue Einsamkeits-Tristesse, dort sinistres Kanister-Besäufnis. Auf Dauer wirkt dieses Regiekonzept wie der berühmte Gemischtwarenladen: von allem etwas, aber nichts richtig. Für den sich katastrophal zuspitzenden Strafgefangenen-Akt zieht Tandberg mal wieder das gute, alte Betroffenheitspathos aus der Regie-Tasche. Und mal ehrlich, das scharfsteinige Einheitsbühnen-Felsenriff könnte genausogut für Ariadne auf Naxos, Tristan und Isolde oder den Brünnhildenfelsen herhalten. Bleibt zu erwähnen, dass an Gags kein Mangel herrscht. Die sind witzig, lenken aber ganz schön ab. Gesehen hat man das alles doch schon mal gründlicher gemacht und packender auf den Punkt gebracht.
Die Titelpartie singt wie 2015 Evelyn Herlitzius, die mit ihrem auf- und anrührenden Sopran nach wie vor Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung ist. Die Rollenidentifikation ist top, ihre großen Monologe stellen herzzerreißende Porträts einer zutiefst einsamen Frau dar. Klar, Herlitzius‘ Stimme ist da nicht mehr 100%ig hieb- und stichfest, Registerunterschiede und Schmirgelpapier-Piano künden von zahlreichen hochdramatischen Bewährungsproben (wehmütige Erinnerungen an ihre DO-Brünnhilde). Doch Herlitzius trifft mit jedem Ton ins sehrende Herz dieser in beiderlei Sinn mörderischen Ausnahmepartie. Die Stimme von Alexej Kosarew (der sorglos-skrupellose Sergej) ist nicht wie meist mit angeschärftem Tenortestosteron angefüllt bis an den Rand der Kehle, sondern kennt überraschend lyrische Töne. Thomas Blondelle (ein hinreißender Sinowij) versinkt in seinen stets drei Nummern zu großen Jacken, Wolfgang Bankl singt den schmierig tyrannischen Schwiegervater mit Schmerbauch und der gehörigen Portion harter Boshaftigkeit, macht den ursprünglich angesetzten Kurt Rydl jedoch nicht vergessen.
Die Nebenrollen sind treffend besetzt. Stephanie Weiss bleibt als schauerlich quiekendes Vergewaltigungsopfer Aksinja in Erinnerung, Tobias Kehrer überzeugt als walzerseliger Pope, Seth Carico als so stimmmächtiger wie korrupter Polizeichef. Den alten Zwangsarbeiter singt Stephen Bronk mit ergreifender Klage, den Besoffenen James Kryshak, das Hürchen Sonjetka, das die herbe Verspottung Katerinas mit dem Tod bezahlt, die famose Wasilisa Berschanskaja.
Donald Runnicles treibt das Orchester der Deutschen Oper zu karikierender Holzbläserschrillheit und Blechbläserhärte. Marschmusiken knattern, Walzer räkeln sich, dazwischen explodiert die berühmtberüchtigte Koitusmusik. Runnicles steigt tief ein in das Drall-Bunte dieser tollkühnen Partitur. Das tendiert nur bisweilen zum Holzschnitthaften. Ich hätte mir mehr rhyhtmische Geschmeidigkeit, mehr genaue Zwischenfarben gewünscht – und weniger Haudrauf-Lautstärke. Schlüssiger gelingen die leidenschaftlich aufblühenden, ja schwelgerischen Partien, die Katerinas Sehnsüchte illustrieren, und die trübe Düsterkeit des vierten Aktes. Die fünf Instrumentalzwischenspiele macht Runnicles allesamt zu beklemmend-eindringlichen Höhepunkten. Ich habe schon bessere Vorstellungen des bekanntermaßen großartigen Chors der Deutschen Oper gehört.
Viel Applaus.
Stimme fast zu, den Chor fand ich gestern auch nicht so Klasse, wie in all den Aufführungen der letzten Wochen.
Die Kritik an Runnicles verstehe ich nicht, habe das anders empfunden. Stimme da dem zu, was Albrecht Selge schreibt.
Ich möchte keine Minute dieser Musik vermissen.
Mich stören aber immer diese langen Akte, mein Kreuz meutert nach 1,5 Stunden….
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Wir haben einen fulminanten und bewegenden Opernabend erleben dürfen, besonders Evelyn Herlitzius war eine großartige Sängerdarstellerin. Ganz großartige Inszenierung, wie ein Thriller der durch Mark und Bein ging. Wir waren begeistert!
Liebe Grüße Grasci
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Ja ja ja und nochmals ja, bis auf die kleine Einschränkung beim Chor, der gestern irgendwie flach klang….
Vielleicht hatten die morgens Probe, für diese komische Fledermaus.
Da ist diesem Regisseurdarsteller wohl was ganz dolles eingefallen, die Fledermaus spielt wohl teilweise in Berlin :-(((
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Bin ja eher Unter den Linden unterwegs aber was Brug zum Spielplan der DO sagt ist ziemlich Panne. War hin und weg von den Premierenplänen an der DO, kein einziger Verkaufsschlager – alles Raritäten – Nachtwandlerin große Klasse, bei Belcanto hat die UdL grad gar nichts im Angebot – Zwerg grandios – Oceane zumindest sehr interessant – Don Quichotte grandios – Hamlet grandios – Wozzeck geht immer. War schade wie schnell Wozzeck und Lulu UdL in der Versenkung verschwunden sind. Nur Hoffmann sagt mir jetzt weniger zu. Keine Ahnung was Brug nörgelt.
http://klassiker.welt.de/2018/04/17/spielplaene-stuttgart-bis-berlin-alles-auf-anfang-oder-brav-weiter/
https://deutscheoperberlin.de/de_DE/calendar/premiere_next
Abo ist aber spürbar teurer geworden.
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Haben Sie von dem schon mal etwas anderes wie nörgeln gehört. Halt Stop, bei der Heliane war er recht angetan.
Ich habe diesen Herrn schon „geliebt“, als der noch für den seinen Schrott fabrizierte. Habe da etliche Beschwerdeschreiben damals losgelassen. Dann kam diese Lemke Matwey, war ähnlich schlimm.
Wenn Sie Brug Verlautbarungen lesen, habe selten einen so selbstverliebten Typen erlebt wie den. Beim RBB tummelt sich auch so einer, der ist auch so ähnlich, aber dem fehlt so einiges an der Schreibe von Brug.
Zu der Lemke Matwey, die ja glühende Verehrerin dieses Thielemann ist, noch etwas.
Die hatte mal einen großen Artikel auf Seite 3, da durfte sie in Bayreuth im Orchestergraben sitzen, wie dieser Artikel und die folgenden Kritiken ausfielen, brauch ist wohl nicht zu schildern
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Ich versteh, Kai Luehrs Kaiser. Lemke-Mattwey find ich ganz gut, habe aber länger nichts mehr von ihr gelesen. Der Brug ist nun mal der Brug wobei der selten in Berlin ist, meist in Salzburg, München, Lyon etc. Was Brug an Schreibpensum hat da können sich andere mal was von abschneiden. Ich nehme aber an er hat auf seiner Blogseite Narrenfreiheit und Tageszeitungen wie der Tagesspiegel wissen ganz genau wie wenig Musikinteressierte die Rezension einer Wiederaufnahme lesen. Das Musikfeuilleton befindet sich auf dem Rückzug. Das ist Fakt
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Diese Frau vermisse ich nicht, soviel Parteilichkeit, wie bei ihr, habe ich selte vermisst.
Ja, was Brug alles zusammenschreibt, ist schon bemerkenswert. Manches es sogar witzig und boshafte.
Ihrer Einschätzung de Feuilletons stimmeBei Premieren meckert man dann rum, aber dann mal nach ein paar Aufführungen zu überprüfen, wie es geworden ist, entfällt auch. Ich lese diese Dinger, und dann…. Zum Glück gibt es dann ja noch diese und etliche andere Seiten, auf denen man sich informieren kann
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Sehe ich genauso, was die Premieren an der DOB angeht. Andererseits haben sie ja die Knaller schon alle im Repertoire, Carmen, Tosca, Traviata, Rigoletto, Zauberflöte. Trotzdem, Respekt, auch für die Uraufführungs-Linie. Intendant Schwarz macht das ganz gut. Das schwarze Loch namens Belcanto, das an der Staatsoper gähnt, wird jede Saison größer
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Weiß jemand, was mit Maria Agresta los ist? Erst ist sie aus Festtage Falstaff draußen, dann aus Trovatore an der DO.
Die neue Leonore Angela Meade ist doch die, ähm, etwas rundliche Dame mit dem Riesen-Vibrato??
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merkwürdigerweise gibt es keine Umbesetzung als Traviata.
Ich bin nicht böse. Vor einiger Zeit habe ich Fr. Meade in dieser Rolle gehört und fand sie großartig.
Wenn Gerüchte stimmen, soll Fr. Rachvelishvili gerade in Wien sensationell als Amneris sein
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im Übrigen finde ich die Agresta nicht so dolle.
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Traviata? Danke für den tip wegen Agresta
Gabriele Viviani sagt mir im Moment auch nüscht singt aber Scala und Paris
Die Friedrich Inszenierung is eh nicht mein Ding.
Besser als die aktuelle Dorn Traviata in Mitte ist sie aber
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Ich will in den abgefahrenen Bosse-Rigoletto, den ich nicht kenne, weiß nur noch nicht wann, und eventuell in den heißgeliebten Troubadour und Nabucco. Maskenball? Runnicles, Harteros, Kutasi sind die Pluspunkte, Popov ist nun wirklich nicht mein Lieblings-Verdi-Tenor. Die Verdi-Tage sind natürlich großartig. Auf dem ausgedünnten Staatsopernspielplan hingegen nur Barbiere und King Arthur.
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an den Rigoletto gewöhne ich mich nie.. aber trotzdem ein Muss.
Ja Maskenball sowieso, obwohl am 13. Runnicles nicht dirigiert :-((
Wie man mir heute nach der Generalpobe der Fledermaus ins Ohr flüsterte, soll er da wohl nicht so dolle zu sein, der 2. Akt auch flau, der 3. spielt auf dem Mond.
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Wer da hingeht…..
https://www.deutscheoperberlin.de/de_DE/calendar/die-fledermaus.14537607
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