Liedrecital von Katharina Kammerloher im Apollosaal der Berliner Staatsoper.
Sängerisch intelligent angepackt und auf einem Spannungsbogen entfaltet erklingt jedes der zwölf Lieder Robert Schumanns aus dem Liederkreis nach Eichendorff op. 39. Da wird Mondnacht weitgespannt entwickelt
und zu behutsam-beredten Höhepunkten geführt. Man hörts, jeder Vokal trägt (Wort-)Bedeutung, jede Silbe wird Klang-Anlass für eine genau bemessene vokale (lyrisch erfüllte) Ausdrucksgeste. Die stillen Sehnsuchtslieder werden nach innen gewendet gesungen (Auf einer Burg).
Kammerloher singt Lieder von Schumann und Schönberg nach Gedichten von Eichendorff und George. Es ist deutschsprachige Liedkunst, vorgetragen von einer Sängerin, die auf der Opernbühne kaum Grenzen, weder solche der Epochen noch solche des Idioms, der Sprache kennt. Dass die Mezzosopranistin eine beredte Fürsprecherin der Moderne ist, spiegelt sich in der Programmwahl Schönbergs.

Ton, Stimmklang und Bedeutungsperspektive treffen sich in einem Singen, das spontan, also vom Augenblick erfüllt, scheint und zugleich das kompositorisch Kunstvolle betont (Zwielicht, mit dem fast leitmotivischen Aufstieg von Quarte und kleiner Sekunde im zweiten Takt der Singstimme). Dazu tritt die Inständigkeit des Vortrags, der aufregende stimmliche Ernst, Kammerlohers Singen ist erfühlt und erfüllt. Das lebhafte Frühlingsnacht wird drei Mal gesungen, das zweite Mal atemloser im Vortrag, das dritte Mal jubelnder im Schluss, bei dessen Schumann Komposition an seine Braut dachte: Clara Wieck.
Nach der Pause Arnold Schönbergs George-Vertonung Das Buch der hängenden Gärten op. 15, eines der Hauptwerke musikalischen Expressionismus. Gleichwohl wirken die Lieder zuerst instrumentaler, entfalten dann jedoch Schritt für Schritt den bekenntnishaften Reiz eines dramaturgisch durchentwickelten Gedichtzyklus. Entsprechend auch Kammerlohers Singen: zu Beginn instrumental streng gefasst, zum Schluss von emphatischen Akzenten (Nun ist es wahr, dass sie für immer geht) getragen. Kammerloher geht aus von behutsamer Rezitation (Unterm schutz von dichten blättergründen, das Lied beginnt genauso unvermittelt wie es unvermittelt endet), von einem Singen, das sich beschwörendem Redegestus annähert (Hain in diesen paradiesen). Das spiegelt angemessen die zeremonielle Haltung der Lyrik Stefan Georges, die die Sängerin jedoch sofort wieder löst, sei es durch lebhafte Deklamation oder glühende Ausbrüche (Jedem werke bin ich fürder tot), sei es durch blitzartig entfaltete Miniaturen (Wenn ich heute nicht deinen lieb berühre). Bewegend auch das mittels mezzavoce als geheimnisvolle Erinnerung aufgefasste Als wir hinter dem beblümten tore.
Katharina Kammerlohers Stimme ist ein intensiver Mezzosopran. Man kennt Fülle, Ausdrucksfähigkeit und Reichtum des Klangs (Strauss‘ Komponist, letztes Jahr oder jüngst in den Premieren Faust, Falstaff und Poppea), der Basis ist für den engagierten, von kompaktem Vibrato energisch belebten Vortrag. Von Kammerlohers Mezzosopranspektrum getragen erklingen auch die Zugaben, die samt und sonders gelingen: Traumgekrönt, Meine Liebe ist grün von Brahms und Nachtigall (wie Traumgekrönt aus den Sieben frühen Liedern Alban Bergs).
Viel Applaus.
Ein wunderbare Besprechung eines wahrhaft ergreifenden Liederabends mit Zugaben die unter die Haut gingen! Bravo Frau Kammerloher!
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