Dem Operngott sei Dank.
Wim Wenders hat nicht den Bayreuther Ring inszeniert. Es wäre eine tranige Sache geworden, die sich hingezogen hätte. So inszenierte der Filmemacher stattdessen in Berlin Les Pêcheurs de Perles, Bizets kaum bekannte Fischer- und Brahmanenoper Die Perlenfischer.
Es war Wenders erste Opernregie. Sie wurde einigermaßen einhellig zerrissen: blutleer, dilettantisch, Anfängerfehler. Eine Ausnahme:
Frau Ossowksi war begeistert. Doch o Wunder! Der Staatsoper Unter den Linden beschert Wenders Regiewerk eine ausverkaufte Vorstellung nach der nächsten. Der Opernfan, das unbekannte Wesen.

Bizet zog mit den Perlenfischer nicht das große Los. Das Libretto ist mager, die Geschichte hanebüchen. Da merkt der Operninteressierte erst, wie wuchtig-fragil das gerne in Bausch und Bogen verdammte Libretto von Verdis Troubadour ist. Auch aus dem Thema „keusche Priesterin verliebt sich unsterblich“ war nach Bellinis Norma irgendwie die Luft raus. Und auch Wenders fällt als Opernregie-Azubi wenig ein. Es hängt der Tropenmond zwischen Palmen, es schwappt das Meer an Sri Lankas Küste. Die Personenführung ist aufs Allernötigste runtergedrosselt. Der Chor hüllt sich in dezentes Schlabber. Und Nadir schaut aus, als hätte der seine Klamotten gerade von Jil Sander auf Zalando bestellt.
Auf der Bühne herrscht also ziemlich tote Inszenierungs-Hose. Dafür vergolden die Sänger den Opernabend.
Francesco Demuro, ein heimkommender Weitgereister wie später dann Parsifal, beschwört mit elastischer und delikat timbrierter Tenorstimme seine Liebe zu Leïla (die zauberische Beschwörung einer einst gehörten Stimme durch die zauberische eigene: Je crois entendre encore), der anmutigen Brahmanenpriesterin, die von Olga Peretyatko mit brillanter, kostbarer, in Akt 1 kühl wirkender Stimme gesungen wird. Chef-Fischer Alfredo Daza (apart mit roten Strähnchen im Strubbelhaar) lässt die Flammen der Eifersucht in Akt 3 heftig züngeln und Wolfgang Schöne singt einen würdig erzürnten Ortsvorsteher, der, malerisch in wallendes Gewand gehüllt, filmreif mit Speer auftritt.
Georges Bizets Musik lebt. Ihr Charakter ist ausgesprochen lyrisch. Doch besitzt sie rhythmischen Instinkt und melodisches Genie. Zugegebenermaßen, es gibt kleine Durchhänger. Aber kein geringerer als Berlioz hörte bei der Uraufführung 1863 de beaux morceaux expressifs pleins de feux et d’un riche coloris. Die Posaunen tönen wagnerisch bedeutungsvoll. Ohrwurmcharakter hat die süchtig machende, leitmotivisch-zentrale Melodie, die das erste Mal bei bei Leïlas erstem Auftritt erklingt. Nur die Chöre finde ich auf Dauer eintönig. Anzumerken ist, dass Bizets Partitur verloren gegangen ist, die Orchestrierung erfolgte nach Bizets Tod auf Basis des Klavierauszugs. Am Pult drückt Victorien Vanoosten auf die Tempo-Bremse und geht die Dinge etwas ruhiger an.
Einhelliger und starker Beifall.
Danke! Ich beobachte Francesco Demuro schon seit geraumer Zeit, der Mann hat Potenzial und Olga Peretyatko sowieso. Schade, dass die Regie so gar nicht passt.
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Peretyatko sowieso??
Seit wann? Ich habe mir letztes Jahr endgültig geschworen, mir diese Frau, die Eisprinzessin, nie wieder anzuhören. Selten habe ich eine so hochgeschrieben Sängerin gehört, die mich so kalt lässt Zugegeben, sie singt hervorragend, aber das wars dann auch..
Wenn Schlatz von ausverkauften Vorstellungen schreibt, schön für die Staatsoper, ist aber wie in der Elphi, man muss dabei gewesen und drin gewesen sein. Wie ist sonst zu erklären, das z.B. diese schlechte, in jeder Hinsichte, Salome sogar ausverkauft war
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Eine herrliche und kluge Inszenierung voller Poesie und Schönheit. Man kann sich hängen lassen und die schöne Musik mit den schönen Bildern genießen
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Hab mich nach den heftigen Verrissen schon gar nicht mehr hingetraut, trotz Maria Ossowskis sympathischem Enthusiasmus.
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Es ist halt so : Ausgrabungen von Opern haben ihren Grund. Diese hier ist eine Oper, die auf einer einzigen weltberühmten Melodie reitet, nämlich „oui, c’est elle“. Der Rest ist, mit Verlaub, einfallslos. Bizet hat neben mehr als 10 anderen Operetten eine Oper komponiert, die ihm für alle Zeiten das Leben rettete.
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