Dem Operngott sei Dank.

Wim Wenders hat nicht den Bayreuther Ring inszeniert. Es wäre eine tranige Sache geworden, die sich hingezogen hätte. So inszenierte der Filmemacher stattdessen in Berlin Les Pêcheurs de Perles, Bizets kaum bekannte Fischer- und Brahmanenoper Die Perlenfischer.

Es war Wenders erste Opernregie. Sie wurde einigermaßen einhellig zerrissen: blutleer, dilettantisch, Anfängerfehler. Eine Ausnahme:

Frau Ossowksi war begeistert. Doch o Wunder! Der Staatsoper Unter den Linden beschert Wenders Regiewerk eine ausverkaufte Vorstellung nach der nächsten. Der Opernfan, das unbekannte Wesen.

Olga Peretyatko Francesco Demuro
Küssen ist bei uns nicht erlaubt! Olga Peretyatko und Francesco Demuro / Foto: Donata Wenders

Bizet zog mit den Perlenfischer nicht das große Los. Das Libretto ist mager, die Geschichte hanebüchen. Da merkt der Operninteressierte erst, wie wuchtig-fragil das gerne in Bausch und Bogen verdammte Libretto von Verdis Troubadour ist. Auch aus dem Thema „keusche Priesterin verliebt sich unsterblich“ war nach Bellinis Norma irgendwie die Luft raus. Und auch Wenders fällt als Opernregie-Azubi wenig ein. Es hängt der Tropenmond zwischen Palmen, es schwappt das Meer an Sri Lankas Küste. Die Personenführung ist aufs Allernötigste runtergedrosselt. Der Chor hüllt sich in dezentes Schlabber. Und Nadir schaut aus, als hätte der seine Klamotten gerade von Jil Sander auf Zalando bestellt.

Auf der Bühne herrscht also ziemlich tote Inszenierungs-Hose. Dafür vergolden die Sänger den Opernabend.

Francesco Demuro, ein heimkommender Weitgereister wie später dann Parsifal, beschwört mit elastischer und delikat timbrierter Tenorstimme seine Liebe zu Leïla (die zauberische Beschwörung einer einst gehörten Stimme durch die zauberische eigene: Je crois entendre encore), der anmutigen Brahmanenpriesterin, die von Olga Peretyatko mit brillanter, kostbarer, in Akt 1 kühl wirkender Stimme gesungen wird. Chef-Fischer Alfredo Daza (apart mit roten Strähnchen im Strubbelhaar) lässt die Flammen der Eifersucht in Akt 3 heftig züngeln und Wolfgang Schöne singt einen würdig erzürnten Ortsvorsteher, der, malerisch in wallendes Gewand gehüllt, filmreif mit Speer auftritt.

Georges Bizets Musik lebt. Ihr Charakter ist ausgesprochen lyrisch. Doch besitzt sie rhythmischen Instinkt und melodisches Genie. Zugegebenermaßen, es gibt kleine Durchhänger. Aber kein geringerer als Berlioz hörte bei der Uraufführung 1863 de beaux morceaux expressifs pleins de feux et d’un riche coloris. Die Posaunen tönen wagnerisch bedeutungsvoll. Ohrwurmcharakter hat die süchtig machende, leitmotivisch-zentrale Melodie, die das erste Mal bei bei Leïlas erstem Auftritt erklingt. Nur die Chöre finde ich auf Dauer eintönig. Anzumerken ist, dass Bizets Partitur verloren gegangen ist, die Orchestrierung erfolgte nach Bizets Tod auf Basis des Klavierauszugs. Am Pult drückt Victorien Vanoosten auf die Tempo-Bremse und geht die Dinge etwas ruhiger an.

Einhelliger und starker Beifall.