Schlagwörter

,

Götterdämmerung im Live-Stream aus der Staatsoper Wien.

Die Götterdämmerung ist das letzte Spektakel des Rings. Die mythische Wald- und Wiesenoper wird zum menschlichen Schurkenstück. Die Erbengeneration scheitert. Siegfried erleidet den Tod durch Speerwurf, Brünnhilde den Freitod durch Feuer, Hagen den Freitod durch Wasser.

Christian Franz: Franz ist als Siegfried nun einmal kein Stage animal. Sein Tenor ist von verlässlicher Kraft, offen, hell, monochrom timbriert, was zu relativ geheimnislosem Singen führt. Die Phrasierung ist ohne Anmut. Was nicht gefällt, ist die Unart, Ausrufe nicht zu singen, sondern zu sprechen.

Linda Watson (Brünnhilde): Effektvoll doch standardisiert sind ihre Bühnengesten. Die gen Himmel erhobenen Arme, die Andeutung einer verliebten Pirouette – zwischen diesen Polen bewegt sich ihr Gestenrepertoire. Am meisten liegt ihr das maßvolle Abschreiten der Bühnenkante im Stil einer Grande Dame. Die glitzernden Brustapplikationen gehen auf das Konto von Marianne Glittenberg (Kostüme). Zur opulenten Gestalt von Frau Watson passte ein Bett à la Marschallin besser als das Matratzenlager, das der Zuhörer während des Vorspiels zu sehen bekommt.

 

Watson ist im hochdramatischen Wagnerfach immer noch eine Bank. Nie habe ich das Gefühl, die Brünnhilde gehe über ihre Kraft. Ihre Artikulation ist gut, ihr Gespür für expressive Nuancen lobenswert, wenn es auch nicht an das von Herlitzius herankommt. Sie singt schöne Pianissimi. Ihr Material ist fern von Jugendfrische, doch immer noch vorzeigbar, wenn man bereit ist, die tremolierende Vollhöhe außer Acht zu lassen. Zu bemängeln bleibt folgerichtig, dass ihre Interpretation in keinem Bereich superb ist.

Markus Eiche (Gunther): Eiche verkörpert präzise, wie sich Richard Wagner den kraftlosen germanischen Hochadel vorstellte. Eiches Bariton ist hell, feinkörnig, kantabel. Eiche singt und agiert nobel. Im zweiten Akt bleibt Eiche expressive Kraft schuldig: „Wehe mir, dem jammervollsten Manne“ habe ich schon stärker gehört.

Eric Halfvarson (Hagen): Dieser bühnenwirksame Hagen dominiert jede Szene. Im Halbschatten dräut seine machtvolle Bismarck-Visage. Er ist ein Finsterling, dessen suggestive Mimik ebenso drohend wirkt wie sein pechschwarzes, prägnant deklamierendes Singen. Halfvarson übertrumpft mühelos das Fortissimo-Fluchmotiv des nicht gerade für schwache Lungen bekannten Wiener Blechs. Das F erreicht Halfvarson mit beträchtlicher Schallkraft.

Regine Hangler (Gutrune): ein Pummelchen mit glockenklarem Sopran. Sie füllt ihren Part nicht ganz aus. Regine Hangler zeigt dünne Ausdrucksgesten („Siegfried – mein!“).

Anna Larsson (Waltraute): gut, verhangenes Timbre, farbreicher, abgedunkelter Klang, dunkel leuchtende Höhe. Dynamische Nuancen.

Die Nornen tummeln sich in Blättergewändern vor einem Tannenforst im Bonsaiformat: Monika Bohinec (Erste Norn, beglaubigt die Vorwelt mit autoritärer Stimme, rau, eindrucksvoll), Ulrike Helzel (Zweite Norn: deutliche Registerunterschiede: Mitte kraftvoll, oben spitz, dünn, unten säuerlich), Ildikó Raimondi (Dritte Norn: kraftvoll)

Die Rheintöchter liefern betörenden Ensemblegesang (Rachel Frenkel Wellgunde, Andrea Carroll (Woglinde), Juliette Mars (Flosshilde))

Die Personenführung hat Stärken, so in der Gibichungenhalleszene des ersten Aktes. Das Bühnenbild verzichtet auf Originalität. Es begnügt sich damit, symbolische Hintergrundbilder zu liefern. Doch das schafft Freiraum für die Sängerakteure.

Ádám Fischer leitet elegant und warm. Schön sind die aufwärtsschwingenden Geigen des Brünnhildemotivs im Vorspiel, zweite Szene. Siegfrieds Rheinfahrt findet in gemütlicher Pracht statt. In Akt I, Szene 1 entzückt das kammermusikalisch ausgeleuchtete Geflecht der warmen Streicherstimmen. Die Musiker verweben Bläser- und Streicherlinien. Die Bläserstaccati des Speereides haben Tempo.