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Till Fellner spielt Mozart.

Er debütiert bei den Berliner Philharmonikern. Fellner und Dirigent Haitink wählen das Klavierkonzert KV 503, ein  „großartiges Werk“ mit „geradezu neutralem Charakter des Materials“ (Charles Rosen).

Till Fellner, 43, umgibt immer noch zarte, jungmannhafte Aura. Ich bin zwiespältig. Fellner bringt eine Art Friedrich-Gulda-Objektivität mit. Stichwort: kennerisches Klavierspiel mit einem Schuss Vintage. Auch dem Unmusikalischsten geht auf, was „sachlich-objektives Musizieren“ heißt.

Kurz die Charakteristika:

  1. Der Anschlag ist durchsichtig, schlank, fehlerlos
  2. Forte heißt für Fellner: nicht piano
  3. Delikat abgetönte Akzente
  4. Rhythmische Kraft, reicher Ton fehlen
  5. Drama? Nein! Temperament? Never! Gefühl? Geh!

Der Guardian bemerkte, Fellner sei „a serious fellow“. Fellner, das empfindsame Superhirn, das Phlegma aus Übersensibilität wählt. Die Botschaft ist klar: Qualität, Handwerk, Kontrolle.

Fellner präferiert ein passives Piano. Dann lässt er’s ins Immer-Leise abgleiten. So klingt Fellners Flügel öfter nach obligatem Klavier, als ihm (und mir) lieb sein kann. Klar, das hängt auch mit dem glühenden Engagement der Holzbläser zusammen. Weiter: Dem zweiten Thema in der Klavierexposition, den Passagen im Finale fehlen rhythmische Härte.

Dennoch gibt es geglückte Moments Fellneriaux: das intensive Zusammenspiel mit den Musikern in der Durchführung (1. Satz) ist so einer, ein weiterer der scheue, erste Solo-Einsatz im langsamen Satz.

Kurzum, was Fellner da macht, ist hochinteressant und a bissl langweilig.

Bernard Haitink setzt bei KV 503 auf Wachheit und Gleichmaß. Farben und Feinheiten werden deutlich. Das Tutti ist straff und fabelhaft trocken. Der Klang ist offen, die Verantwortung für Nuancen übergibt Haitink den Musikern. Der Dirigent bannt die Gefahr abstrakter Noblesse. Ich kann Haitinks Mozart ohne Vorbehalt loben.

Bruckner 9.
Haitink macht mit der Neunten, was Fellner mit Mozart machte. Flow, Zen, cool bleiben. Haitink leitet hauptsächlich mit der Rechten. Richard Strauss („Die linke Hand gehört in die Westentasche“) hätte das gefallen. Objektivität ist bei Haitink erste Dirigentenpflicht. In der perfekt durchdigitalisierten Welt der Digital Concert Hall mag diese Interpretation der Bruckner-9. einmal die Aura vollendeter Formklarheit umwehen. In der Philharmonie klingt sie uninteressant, a bissl lang und ziemlich langweilig.

Mais où-est donc Solène Kermarrec? Je ne l’ai pas vue depuis longtemps.