Zubin Mehta bei den Philharmonikern.
George Crumbs Ancient Voices ist ein umfangreicher Zyklus. Die Besetzung ist klein. Die Musiker des philharmonischen Orchesters sind in Nano-Anteilen zugegen – pas de Streicher, pas de Blech, seulement Spezialinstrumente – fast.
Umgekehrt proportional hierzu verhält sich der Sinngehalt. Von Federico García Lorca stammen die Gedichte. Solche Stücke haben es nicht leicht. Missmutige („Crumb?“) wittern Bedeutungshuberei qua Infantilismus. Liberale („Crumb!“) schätzen gerade das.
Ich finde ja, wenn professionelle Musiker Steine aneinanderschlagen, ist die Hausmusik nicht weit.
Im Zentrum steht Marlis Petersens klare Stimme. Ihr Sopran ist nicht groß an Umfang. Doch der Ton ist intensiv. Das ist gut für die Fokussierung. Die Höhe profitiert davon. Die Beweglichkeit von Petersens Sopran ist auf bestem Donna-Anna-Niveau. Das vornübergebeugte Singen in den geöffneten Flügel hat sich als Spezialdisziplin, wie man weiß, nicht durchgesetzt. Doch die Klangeffekte, die hieraus entstehen, zählen zu den unverlierbaren Activa des Abends. Typisch für Crumbs Ancient Voices: Das Instrument suchen, das zu einem Klang passt.
Albrecht Mayer spielt Oboe. Ein Höhepunkt: Franz Schindlbeck an den Glöckchen.
Der missmutige Teil des Publikums fühlt sich aufgefordert, in den kurzen Pausen zu husten.
Bruckner 9. Sinfonie.
Ich sage es gleich. Ich fand sie nicht gut. Spannung fehlt. Das Tempo ist gemütlich. Unter Zubin Mehta spielen die Musiker wolkige Höhepunkte. Die Phrasierung ist weich – aber nicht wienerisch butterweich. Im Scherzo höre ich Stampfen. Das hindert nicht, dass es Schönheiten en masse gibt. Blau flötet. Mehtas Motto: locker bleiben. Im Trio des Scherzos singen die ersten Geigen satt, wozu die Flöten irrsinnig schnelle Sechzehntel spielen.
In den letzten 5 Takten des 3. Satzes wird das Hören zur Physik. Ich habe ewige Sekunden lang Zeit, den Interferenzen der Schallwellen der Hörner zuzuhören.
Bruckner-Fazit: nichts zum Wegschlabbern, aber auch keine Rohkost für Asketen.
Rattle extrahierte aus der Bruckner-9. fesche Modernitätsgene. Barenboim legte ihre glühende Wucht frei, Janowski ihre Strenge. Mehta bleibt irgendwo in der Mitte.
Mitglieder der Orchester-Akademie und Substitute spielen mit. Konzertmeister ist Andreas Buschatz. Blau bekommt von Fuchs einen Teufelskerl-Klapps.
Aufstellung: Violinen I, Celli, Bratschen, Violinen II. Hörner rechts hinten. Streicherbesetzung: 16, 14, 12, 10, 8.
Marlis Petersen hört die Neunte an verborgener Stelle mit und dankt dem Orchester mit einer Standing Ovation.
Herr Mehta gehört seit Jahren zu meinen Lieblingsdirigenten. Ich habe auch das gestrige Konzert sehr genossen. Das Orchester hat die Interpretation mit sichtbarem Vergnügen mitgetragen. Die Streicher blühten richtiggehend auf.
Bravo!
LikeLike
Gewiss kein Überflieger Konzert.
Aber sehr solide.
Das Orchester liebt den Mehta.
Vermisste deutlichere Dynamik. Bei Bruckner muss man auch mal an die Grenze zum Unhörbaren gehen.
S
LikeLike
Man muss als Dirigent bei Bruckner nicht alle 2 Minuten monströse Dynamikunterschiede vorführen, um als maßgeblicher Bruckner-Dirigent zu gelten. Die Musiker finden zu einer überzeugenden Wiedergabe, die menschliche Wärme atmet.
LikeLike
Danke für die Kommentare.
Ich bin tendenziell auf der Seite von Spasti.
Die Bruckner Achte von Mehta letztes Jahr war sehr gut. Die Neunte jetzt ging in die selbe Richtung, aber es fehlte der Bogen.
LikeLike
Mehta ist Melodiker
Barenboim ist Dramatiker
Rattle ist Rhythmiker
LikeLike
Schade. Die Herren Kritiker sollten mehr Neutralität walten lassen und sich nicht auf eine „Seite“ schlagen.
LikeLike