Eröffnungs- und Schlusskonzert der Donaueschinger Musiktage 2025 werden live übertragen, beide Male klangverkörpert durch das SWR Symphonieorchester. Beide Konzerte sind Uraufführung-only.

Ich höre über SWR.

Am Freitag also das Eröffnungskonzert. Es startet mit Mark Andre, Im Entfalten (15′). Das Pierre Boulez gewidmete Werk erscheint streng und fließend, ein ruhiger Puls trägt. Man meint einen Andre-Stil zu hören, solide und souverän, abgeklärt die Ereignisabwicklung. Andererseits bleibt Im Entfalten zu subtil, um einem Minimalismus zuzugehören. Freilich bleibt das Stück ohne Überraschungen.

Wie sich herausstellt, bleibt dies Altneu-Neualte von Mark Andre das Beste heute Abend. Was kommt, tritt kürzer.

Turgut Erçetins Klarinettenkonzert There recedes a silence (20′) ist das bildhafteste Werk des Abends. Es ist reich an Farben, situativ vielschichtig, erlaubt solistische Entfaltung. Offenbar wurde der Kompositionsprozess inspiriert von anatolischer Architektur (…dringen in Räume jenseits von Begrenzungen vor, ohne dabei die unbegrenzten Gleichzeitigkeiten zu vernachlässigen). Im Zentrum stehen mehrere Kadenz-ähnliche Partien. Freilich, je mehr sich das Soloinstrument in privatistische Monologe bzw. in zartes Duettieren mit der Harfe zurückzieht, umso mehr löst sich Subjektivität in Atmosphäre auf. Der Schluss klingt aus zweiter oder dritter Hand. Solist ist Carl Rosman.

Imsu Choi schickt das elfminütige Miro (südkoreanisch für „Labyrinth“) ins Rennen. Überrascht stößt der Hörer, falls er so gut gelaunt zuhört wie der Verfasser, auf Tondichtungsidiome (Till Eulenspiegel, Zauberlehrling). Gut zu hören, fein gearbeitet, nur reichlich ambitionslos. Das harmloseste Stück des Abends.

Schwierig zu beurteilen ist Paris, Banlieue (25′) von Philippe Leroux, zumal via Radio. Im Stile einer Tondichtung entsprechen die 5 Sätze 5 vom Komponisten bewohnten Vororten. Der Nebentitel Un informe journal de mes rêveries mutet an wie ein Untertitel bei Berlioz. Weil Dichte und Affront-Bereitschaft sich im Rahmen halten, Überforderung eher nicht zur Werkessenz gehört, eignet der französischen Vorortvedute eine gewisse Beliebigkeit. Linearität und Detailfreude sorgen für eindeutig altmodisches Flair. Paris, Banlieue macht stellenweise aber großen Spaß.

Das SWR Symphonieorchester spielt. Der Name des Dirigenten ist mir entfallen. Er reimt sich irgendwie auf das männliche Geschlechtsteil.

Uraufführung-only: Elena Schwarz dirigiert Ivičević, Pinnock u.a.

Ein weiteres UA-Package serviert das Abschlusskonzert SWR Symphonieorchester am Sonntag. Dirigentin Elena Schwarz catcht sich Neues von Ivičević, Pinnock, Hiendl und Hartman. Der Konzertbeginn um 17 Uhr ermöglicht die Heimreise für Konzertbesucher zumindest aus dem südlichen Deutschland sowie aus den angrenzenden Landesteilen von Schweiz, Österreich und Frankreich.

Mirela Ivičevićs Red Thread Mermaid (12′) vermehrt die Liste jener Musikstücke, die mit Nixen befasst sind, um die zeitgenössische Balkan-Version. In Ivičevićs Meerjungfrau schneien sogar Jugo-Schlager rein, und das nicht zu knapp. Was nach great fun klingt, tatsächlich aber, weil, was zugespielt wird, immer via Lautsprecher kommt, nur halber fun ist. Naomi Pinnocks I put lines down (21′) tariert Statik und Bewegung aus, arbeitet die Verschiebungen im Kräftefeld dazwischen heraus, alles soft, alles cozy, wobei das Orchester gerne unterfordert wirkt. Was sucht die Komponistin? Verlässliche Simplizität des Erlebens. Ob das klappt? Achtung, Banalitäts-Alarm!

Es wird nicht schlechter, es geht nur anders schlecht weiter. The deepest continuity (22′) stammt vom Deggendorfer Laure M. Hiendl. Das Stück, dem Material von Ralph Vaughan Williams zugrundeliegt, markiert in seiner meditativ gedämpften Repetitivität eine Art Soft-Poppe. Wie Enno Poppe schränkt Hiendl dynamische Spanne und Formteilkontraste systematisch ein. Doch Hiendls Neo-Poppe-Piece verbreitet öde Langeweile, oder wie der Komponist erklärt: Das Ergebnis ist eine Kontinuität, die dialektisch auf Diskontinuitäten beruht.

Alles andere als ein lucky Punch ist auch das Stück der Schwedin Hanna Hartman, Advanced Weather (15′). Im Wesentlichen hört man locker aneinandergereihte Orchesteraktionen in weitgehend unkuratierter Echtzeit, ohne einen Versuch einer ordnenden Zeitgestaltung, dafür aber in atmosphärische Soundscapes eingebettet. OMG.

Seriously, von den Orchesterkonzerten von Ultraschall Berlin, Wittener Kammermusiktagen und Donaueschinger Musiktagen der letzten Jahre war das Donaueschinger Abschlusskonzert aus 2025 das unergiebigste.


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