Brahms, Chopin, Beethoven. Mehr 19. Jahrhundert ist nur möglich, wenn man Draeseke oder Goldmark spielt (was z.B. das RSB im September macht).

Im 2. Klavierkonzert von Chopin spielt der Pianist Yunchan Lim das himmlische 2. Thema fast zu feinsinnig. Der Einstieg in die Durchführung wird fast zu leicht genommen (tolles Fagott btw). Das Orchester bei Chopin steht im Verruf von Beiwerk. Beim RSB ordnet sich der Südkoreaner in den vom Orchester gegebenen Rahmen ein. Der Anschlag macht unendlich Spaß. Und das hingeglitzterte Figurenwerk ist ein Traum. Aber immer eine Spur zu zaghaft. Als wär Chopin ein Spiel. Die Agogik: feinsinnig. Die tollkühnen Modulationen: atemnehmend. Aber immer eine Spur zu zaghaft. Noch fehlt Lims Interpretation das Zwingende.

Brahms braucht vier Anläufe, bis er sich dazu entschließt, eine Symphonie mit Scherzo zu komponieren, und Brahms wäre nicht Brahms, wenn er das Scherzo einfach Scherzo nennen würde. Es heißt also Allegro giocoso.

Brahms‘ Sinfonie Nr. 4 klingt unter Jurowski engagiert, aber nüchtern. Ausdruckswerte werden nicht zelebriert. Jurowskis Zeitlassen – breit wird das Andante entrollt – hat nichts mit nostalgischem Genießen zu tun. Es gibt keine schönen Stellen im herkömmlichen Sinn. Jurowski packt das Misstrauen gegenüber zu glatten Verläufen. Aber abseits der herb verkanteten Stimmschichtungen mangelt es kaum merklich an Raffinesse. So am Beginn.

Es ist genial, wie der Komponist den Reprisenbeginn im 1. Satz wegschlawinert. Ob, wie das Programmheft anmerkt, für den Satz die Behauptung gelte: „kein Gegenthema, keine Durchführung, keine Reprise“, sei einmal dahingestellt.

Der langsame Satz ist ein Andante mit wilden f– und ff-Kontrastteilen, Sonatenform ohne Durchführung. Es ist ein Saisonhöhepunkt, wie die Bratschen, sacht umflattert von den Bläserkollegen, das Thema wieder aufnehmen. Ob der Finalsatz gewichtiger als der Kopfsatz ist, dürfte persönliche Hör-Sache sein.

Im Allegro energico kann man das Einsetzen der jeweiligen Variation genau verfolgen, wenn man erst Mal das Prinzip begriffen hat. Er wird einfacher, wenn man die Variationen zu Paaren gekoppelt hört: Dann gibt es plötzlich einen Expositions-Epilog (Variationen Nr. 10, 11) und einen Choral (Nr. 14, 15, in der Durchführung).

Zu Beginn Egmont von Beethoven, fast zu sehr als Bekenntnismusik vom RSB gespielt.

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