Endlich einmal wieder Verdis düsteres Melodramma Unter den Linden.
Die Besetzung ist gut, das Dirigat nicht, die Inszenierung Geschmackssache.
Simon Boccanegra ist eine Oper über die unlösbare Verquickung von Macht und Gefühl. Wie meist bei den Helden des mittleren Verdi, so stürzt auch der genuesische Doge Boccanegra über Verstrickung in frühere Schuld.
Tézier sagt alle Vorstellungen ab. Der Rumäne George Petean springt ein. Er singt, blendend aussehend, die fordernde Titelpartie hellklangig, tonschön, mit schönem Legato, wunderbar konzentriert. Vieles, etwa Figlia, a tal nome, kann man kaum besser hören. Das deklamatorisch ausfahrende Plebe! Patrizi! im großen Finale des 1. Akts singt Petean, einer der wichtigen Verdi-Sänger dieser Jahre, ohne Tadel, doch die pace! amor!-Rufe ohne die Energie einer Proklamation. Petean ist weniger agitatorischer Volkstribun, mehr Vater, mehr Ästhet der Macht.
Die Perücke von Elena Stichina dürfte mehr wiegen als die Schwerter aller patrizi zusammen. Ihr Gesang setzt auf schöne Linien, die Stimme auf weiche Leuchtkraft. Am besten ist sie in den Ensembles, wo sie sich gegen Sartori gut behaupten kann. Gleichwohl packt der Vortrag selten. In Come in quest‚ora bruna hört man eine einförmige Emotion (in Wolken der Unbestimmtheit gehüllte Melancholie) einförmig auf die Noten verteilt. Ich wette, Desdemona oder Forza-Leonora klingen bei ihr gleich.

Fabio Sartori, der in den letzten Jahren öfter absagte und auch unebene Leistungen bot, befindet sich in guter Verfassung. Der Gabriele Adorno zählt eher nicht zu Verdis differenzierten Tenorpartien, dazu pendelt die Rolle zu hitzig zwischen Heißsporn und Zerknirschung. Heuer liefert Sartori virile Schallkraft und italienisches Metall, bietet aber auch Legato und Halbstimme. Der larmoyante Ton, den man auch von ihm kennt, wird heute – sia benedetto il ciel – maßvoll gebraucht. Castronovo sang Cielo pietoso letztes Jahr an der Scala überartikuliert, Glaser 2023 an der Deutschen Oper harmlos. Sartori findet den Weg zwischen Glut und Glaubwürdigkeit.
Dem ehrgeizigen Aufsteiger Paolo verpasst Alfredo Daza (stimmlich energiegeladen, darstellerisch zündend) eine wuchtige Wildheit, der Saal empfindet trotz Charkaterschwärze einen Funken Mitleid. Den Hasser Fiesco, den Widersacher des Boccanegra, verkörpert Marko Mimica. In der in schwarze Farben getauchten Arie Il lacerato spirito schimmert priesterliche Askese durch. Im Duett mit Gabriele singen Mimica und Sartori ohne jede äußerliche Theatralik, in jenem Ton dramatischer und gefühlsmäßiger Konzentration, der Verdis Musik einzigartig macht. Als Pietro ist Friedrich Hamel zu hören, als Hauptmann der gute Junho Hwang.
Seriously, bei solchen Sängern ist die Inszenierung auch egal.

Die in Blau und Goldglanz schwelgende, ganz einem Klassizismus, der auf Neudeutung verzichtet, verpflichtete Produktion von Federico Tiezzi stammt aus dem Schillertheater von 2009 (siehe Kommentar). Die Unbeholfenheit der Personenregie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Sänger. Zudem kann man sich an Gewändern in stimmiger Farbregie und an Männerbäuchen in Brokatharnischen erfreuen.
Kaum erfreuen tut das zaghafte Dirigat von Eun Sun Kim.
Wie immer ist Verdis Formempfinden zu bewundern. Arienformen aus Rezitativ und Arie (Fiescos A te l’estremo – Il lacerato spirito) stehen neben solchen ohne einleitendes Rezitativ (Come in quest’ora). In der Szene des Gabriele im 2. Akt wird zwischen Rezitativ und Arie noch ein handlungstreibendes Tempo di Mezzo eingeschoben. Die in Simone Boccanegra so wichtigen Duette – traditioneller das Liebesduett, freier das Wiederkennens-Duett – schließen in der Regel mit Cabaletten, und auch hier vermittelt dann ein Tempo di Mezzo, das je nach Situation entweder einen Stimmungsumschwung oder eine Affektverstärkung bewirkt. Daneben stehen aber Kurzduette (Fiescos und Gabrieles außergewöhnliches Vieni a me). Auch sonst schöpft Verdi den Formenreichtum der italienischen Oper voll aus: man hört u. a.racconto (Erzählung, Paolo im Prolog, Amelia im 1. Akt), preghiera bzw. romanza (Gebet Fiescos im Prolog) oder pezzo concertato (die jeweiligen Ensembles in Ratsszene und 3. Akt).
Der „Boccanegra“ ist, ähnlich wie Macbeth oder Don Carlo, eines von Verdis Opernsorgenkindern, das Libretto wahrt auch nach der Bearbeitung vom Anfang der 1880er Sonderbarkeiten. Zwei Mal vereitelt Amelia auf fast gleiche Weise ein Attentat ihres Geliebten Adorno auf den Dogen. Zwei Mal bricht hinter der Bühne ein Volksaufstand los und zwei Mal ist er nach wenigen Momenten vorbei.
Bleibt zu hoffen, dass noch die ein oder andere Produktion aus dem Schillertheater an den Linden wieder auftaucht, Kultursparpläne sei Dank.
2 Wochen nicht in Berlin gewesen, und der Ballo-Netrebko-Vorverkauf vom ICE aus hat auch nicht geklappt. Claudio, wie war Joyce DiDonatos Winterreise? Ich hätte alles von ihr hören wollen, nur keine deutsche Romantik, zumal hier am Haus eine Kammerloher das goldrichtig serviert hätte. Alma Mahler schaffte DiDonato letztens auch nicht richtig. Der Seiffert ist gestorben. Ihn hab ich zuletzt 2017 mehrmals als Tannhäuser gehört. Er war auch mein Lieblings-Siegmund, trotz Kaufmann. Bin als Erst- oder Zweitsemestler damals zwei Mal nach München gefahren, um ihn als Tannhäuser zu hören und er hat beide Mal abgesagt.
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„Der“ Seiffert ist pejorativ und nicht besonders freundlich. So redet man im allgemeinen von Verbrechern.
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Ich finde, die sollte im grauen Rock auftreten und so spielen. Das würde völlig reichen. Oder nicht ?
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Beatrice Rana hat mit 3 Jahren Klavierspielen gelernt, so wie andere Kinder Laufen oder Sprechen lernen, und sie sagt, es ist für sie etwas völlig natürliches. Vielleicht ist das auch hier so :
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Lang Lang möchte ich lieber nicht in kurzen Hosen sehen…
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Diese Besetzung war die einzige, die mich jemals beeindruckt hat, und zwar in der Deutschen Oper :
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Sogar Barenboim will jetzt Mendelssohn in der Waldbühne spielen. Der kommt letztens wieder in Mode. So spiel ich ihn jetzt auch:
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ach ja, und dieser Hauptmann Junho Hwang singt noch ganz andres :
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Überhaupt hat die Staatsoper da ein paar herausragende Koreaner, die lernen sollen, wie man ein Amartuvshin Enkhbat wird :
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Yosep Kang, Tenor an der Deutschen Oper, auf den Sprung zu einer richtig guten internationalen Karriere, zuletzt hab ich ihn gesehn als Don Carlos neben Anja Harteros, ist seitdem verschwunden. Erst sang er noch ein paar Recitals in seiner Heimat und nun nichts mehr.
Hat alles nicht zusammengepasst ? Schlechte Chemie, sozusagen ?
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Tézier sang eine (?) Vorstellung, ein Freund war drin. Für ihn habe ich mir eigentlich auch die Karte gekauft, da ihn ihn mal hören wollte. Petean schätze ich sehr und fand seinen Hamburger Boccanegra vor zwei Jahren unter Repusic sehr berührend – in einer um Welten besseren Produktion, sicher eine von Guths stärksten Arbeiten – aber die Einwände gegen ihn sind sicher berechtigt, er bleibt in allem, was er singt, so freundlich, wie er als Mensch auch ist. Dramatische Härte ist nicht so seins. – Bei Fiesco vermisste ich die Schwärze eines Vinogradov oder Kares, von Mimica war ich nach dem DOB Banco, der Eindruck auf mich machte, ein wenig enttäuscht. Stikhina säuselt uninvolviert mit schöner, wenn auch etwas kernloser Stimme, einzig der Tenor-Flummi hielt mich bei der Stange. Eine seltsame Oper. Wenn ich die Guth-Produktion sehe bin ich innerlich dabei, hier Unter den Linden, ach, na ja. Putzige Zeitreise.
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Ne komische Verdi-Oper ist das sowieso. Ich habe nie verstanden, warum er das geschrieben hat. Vielleicht als Reminiszenz für damals, als ihm die Welt zusammenbrach und er Frau und 2 Kinder verlor?
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Wie kommen sie denn darauf, dass diese Inszenierung aus dem Schiller-Theater „stamme“? sie hatte 2009 in der Lindenoper Premiere, zog dann mit ins Schiller-theater um und anschließend wieder zurück.
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Hab mich jetzt eines besseren besonnen. Der Oboist aus Prag hat die letzten 8 Takte aus dem Goldberg so schön mit seinem Instrument gesungen, dass ich die Aria auch endlich mal zuende gespielt hab. Jetzt gehts von vorne weiter.
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Diese Eun Sun Kim hab ich schonmal gehört an der Staatsoper, im Maskenball. War so janz nett, nix besondres, manchmal etwas zappelig.
Hauptsache Frau im Orchestergraben?
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„Diese Eun Sun Kim“ hat seit dem Berliner Maskenball an buchstäblich jedem bedeutenden Opernhaus der Welt mit größtem Erfolg dirigiert, ist – auch hier: höchst erfolgreiche – Chefin der SF Opera und hat letzte Saison durchaus aufsehenerregend auch bei den Berliner Philharmonikern debütiert. Daneben leitet sie viele der besten Orchester der Welt. Bei Orchestermusikern ist sie – geschlechts-unabhängig – hoch angesehen und überhaupt allgemein ziemlich erfolgreich. Soweit „Hauptsache Frau im Orchestergraben“. Ich würde eher sahen: Hauptsache quatschen, auch wenn man nix weiß…
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Also obs einem gefallen hat, ist ja doch eine individuelle Angelegenheit und nicht eine Sache der gewonnenen Preise. Damals war auch der Tenor schlecht, weil alt geworden, den ich immer sehr schätzte, Marcello Giordani.
Und woher wissen Sie nun so genau, dass sie als Chefin von SFO höchst erfolgreich ist? Waren Sie da?
Mir scheint, wir reden beide über etwas, wovon wir keine Ahnung haben.
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Marcello Giordani starb übrigens im Oktober 2019 im Alter von 56 Jahren in seiner Heimatstadt Augusta an den Folgen eines Herzinfarkts.
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Sie sind entweder ein Insider, der die Orchestermusiker der Welt kennt, oder jemand, der sich nach Stellung und Reputation richtet. Glückwunsch.
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Aber wenn Schlatz sagt : sie war heute schlecht, dann kann ich halt sagen, ja, vor 10 Jahren fand ich das auch und es wundert mich nicht.
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