Eine gute Tosca in der Staatsoper.

Das todgeweihte Paar sieht hinreißend aus und singt hinreißend, Vittorio Grigolo italienisch herzbetont, Aylin Pérez immer emphatisch.

Die Stimme des Tenors ist nicht groß, die Spitzenhöhe nicht außerordentlich, aber die Tonschönheit ist immer da und wird nie markiert. Dafür singt Grigolo heute fast manieriert, ständig wird an Klang, Tempo, Dynamik geschraubt. Das klingt eben – manieriert. Und verblüffend spontan und individuell. Grigolo ist in guter Form, macht, was Cavaradossi ist, überdeutlich, Quale occhio al mondo klingt 1:1 nach erfülltem sogno mio d’amore. Nach Álvarez und Calleja endlich mal ein Cavaradossi von Format, der nicht indisponiert ist.

Der erste Akt ist überhaupt außerordentlich. Aylin Pérez interpretiert lebhaft und vokal superfein, bringt die hinreißende follia der Tosca, ihre pazzia ganz (da spielt auch Grigolo voller Verve, fast überdreht). Im Herbst wirkte der Cavaradossi von Michael Fabiano ja seltsam neutral neben der statuesken, aber vokal kolossalen Lise Davidsen. Heute ist das wie ein Schaulaufen eines Teils der schönsten Musik, die geschrieben wurde.

Im zweiten und dritten Akt wirkt Pérez leicht indisponiert. Unten zu leise, belegt, kraftlos declamato-Stellen wie E avanti lui tremava tutta Roma. Sie ließ sich am 9. ja ersetzen. Anders als Davidsen im September sticht Pérez richtig zu. Ach ja, erstaunlich ist, wie heute in diesem tollen ersten Akt, wahrscheinlich gerade WEGEN des sängerischen Gelingens, plötzlich die ganze Tragik des jammervollen Endes, von wegen E muoio disperato und Finire così!! Così?, deutlich fühlbar wird.

Während Burdenko ein mäßiger Scarpia ist. Metallische Wuchtigkeit reicht halt nicht. Er findet kaum je den situationsspezifischen Klang für Sadismus, Kalkül, Bosheit, für diese satanische Erbarmungslosigkeit. Vor allem nicht nach Volle, Maestri, Tézier.

Grigolos È lucevan gelingt großartig, mit viel eigensinniger Dynamik, aber es funktioniert. Vissi d’arte wirkt zerdehnt, irgendwie zu langsam, Pérez kommt nie richtig rein. Es klingt jetzt blöd, aber der Blick von Pérez an die Saaldecke bei agli astri war einer der großen Momente der Oper. Guido Reni konnte das auch nicht besser.

Von Mentuccia (nie vorher gehört) kommt ein fabelhaftes Dirigat. Die Staatskapelle macht prima mit. Man hörts von den ersten Takten an: strömend, nicht zu rasch, satt, aber immer Klang-locker, elastisch wie der Arm einer Venus von Tizian, der Klang symphonisch fest umrissen, ist nie Selbstzweck. Es ist an der Staatsoper inwischen so, dass eine Tosca nach der anderen echt erstklassig dirigiert wird, und Wagner öfters mittelmäßig. Zu Barenboims Zeit war es anders herum.