Hörenswert in der Philharmonie: das RSB mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll.

Mitsuko Uchida spielt ungewohnt fehlerhaft (stets an den einfachen Stellen), aber mit außerordentlichem Gespür. Ihr Spiel atmet und drängt, ist gewichtig und frisch, ihr Beethoven einleuchtend und unberechenbar.

Für das c-Moll-Konzert, das noch das Ungestüm der früheren und schon das symphonische Gewicht der späteren Konzerte Beethovens besitzt – erstmals in einer Soloexposition bei Beethoven ist es der Solist, der mit dem Seitenthema einsetzt -, ist das ein Gamechanger.

Die Pianistin wagt ein Rubato bis zum Bedeutungsvollen. Charakteristisch für sie fand ich schon immer die lebhaften Beschleunigungen innerhalb einer Phrase. Dazu kommt natürlich der Anschlag, in den Allegros genau wie in Stich, der immer eine Wildheit bewahrt. Dabei bringt Uchida so viele Anschlags- und letztlich Musikdarstellungs-Nuancen rein: So repräsentiert ihr Spiel die subjektive Seite der Konzert-Medaille, das des Orchesters die objektive. Untrüglich Uchidas musikalischer Instinkt bei den megagelungenen Trillern. Die Kadenz ist lang. Uchidas Ton ist leicht geschärft. Unnachahmlich, wie da Struktur aus Klang kommt, und Klang aus Struktur. Ich erinnere mich noch relativ gut an ihre Beethovenkonzerte 2011 unter Rattle.

Nachher gibt es Brahms‘ Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11, vorher Schönbergs Variationen op. 43b. Beide nimmt das RSB breit im Tempo und auffallend Klang-kompakt. Die Hörner haben keinen guten Abend, aber das Solo im Mittelteil des Finales der Brahmsserenade ist gigantisch. Man hört die Serenaden wieder öfter. Während Corona machte Rattle mit der Staatskapelle die 2., Ticciati die 1. Das in seiner Kürze gewichtige zweite Scherzo empfiehlt Kretzschmar (vermutlich 1886) wegen zu großer Nähe zu Beethoven auszulassen. Wann hört man den Orchesterkomponisten Brahms schon so unbekümmert, so ohne Zwang zum Meisterwerk?

Wladimir Jurowski findet in op. 11 den symphonischen Weg. Er macht den Klang summarischer, als es Petrenko machen würde, kann so aber Raum freimachen für Gefühl und große Form.

Arnold Schönbergs traumhafte Variationen für Orchester op. 43b waren nie populär, sind gepanzert mit Kargheit, gehen aber nicht ohne Witz vor, die Triangel. Es gibt einen Walzer (prominent die Solo-Flöte). Das Thema erkennt nach der 1. Variation – abgesehen von der triumphalen Wiederaufnahme im Finale – wohl kaum einer wieder.