Ein Konzert mit Daniel Barenboim und Martha Argerich.
In der Philharmonie vertrauen Dirigent und Solistin vertrautem Gelände, Beethovens erstem Klavierkonzert und Brahms‘ letzter Sinfonie.
Wie Martha Argerich das C-Dur-Konzert spielt: tollkühn akzentuierte Zielnoten und herausgestellte Vorschläge, sprudelnd sorglose Skalen, ernste Nachsatzverschattungen, charmant gewaltsame Temporückungen. So macht das keine und keiner. Ihr Ton ist doch einzigartig: Die leisen Noten klingen voll, rund, immer etwas aufgerauht und dunkel, und tragen ihre Gehalte problemlos in den Riesenraum. Der erste Satz, in dem die Solostimme bekanntlich nicht ein einziges Mal mit dem Hauptthema zu hören ist (ähnlich wie das Solo in der Durchführung kein einziges der Themen spielt), bleibt bei Argerich burschikos und klar, aber stellenweise geheimnislos. Und früher entledigte sich Barenboim der Durchführung am Flügel schwebender, packender.

Die Kadenz im Kopfsatz ist die kurze mit dem langen Schlusstriller, die Argerich für gewöhnlich spielt, nicht die lange, die Pollini und Brendel immer nahmen. Das Adagio mit seinen Trillern und Vierundsechzigstelfiguren hält die Argentinierin bewundernswert in natürlichem Fluss, gestaltet die Phrasierung ohne jeden Manierismus, und doch ist der Zugriff fern von ungutem Klassizismus. Dem sehr sachten Tempo sind himmlische Phrasierungen der Berliner Philharmoniker bei den zweiten Themen in Satz 1 und 3 geschuldet.
Vorzüglich das Finale. Etwas verwaschen die trommelnden Linke-Hand-Sechzehntel beim Seitenthema. Bei der zweiten Wiederkehr des Themas vergreift sie den letzten Akkord des Solos direkt vor dem Tutti, und ich glaube, sie greift sich in dem Moment aus Ärger an die Stirn.

Nach der Pause dann die e-Moll-Sinfonie von Brahms.
Alles was langsam ist, wird noch langsamer. Die Musikereinsätze unter Daniel Barenboim sind nicht fünfzigstelsekundengenau, in der Coda des Allegro non troppo fürchtet man kurz. Was machts?
Die Sinfonie gerät mit so langem Atem, dass sich Gegensätze wie subjektive Gefühlswelt und objektive (Sonaten-)form für scheinbar unendlich lange Minuten aufheben. Der Lyrismus des langsamen Satzes wird so umwerfend intensiv ausgespielt (der Bendix-Balgley), und das Allegro giocoso so drängend dicht – die vollsatt ploppenden Pizzicati der Celli und Bässe -, das steht man nur mit angehaltenem Atem durch. Im Finale passt alles, und in den 3/2-Variationen der Posaunen- und Hornstellen steht die Zeit still.
Applaus.
Wie auch immer; die hier kommt als nächste
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Seltsam analytische Art, Konzerte zu beurteilen. Was hat das mit Musik zu tun?
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Barenboim spielte immer seine eigene Kadenz
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Genau wie Gould.
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Man kann auch alles herunterhâmmern und hoch 2 spielen, weil die Theorie es so verlangt.
Musik ist das nicht, nur ein Anschein davon.
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der sieht aus wie ein leidender Jesus, der vergessen hat, beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern ordentlich zu bechern
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Barenboim war sichtbar fitter als neulich mit Thielemann in der Staatsoper
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In der Tat, und Barenboim war beim Gang aufs Podium gestern immerhin schneller als Mehta im September bei Tosca. Dirigieren tun DB u ZM allerdings mittlerweile ziemlich ähnlich minimalistisch. Aber das Ergebnis stimmte auch bei Mehta, siehe seinen Rosenkavalier, seine Frau, Turandot Unter den Linden. Wie tragisch übrigens, dass Kränzle, der Beckmesser im Dezember, offenbar erneut erkrankt ist.
„Der erste Satz, in dem die Solostimme…“ > Siegfried Mauser, Laaber, Beethoven-Interpretationen, aber man kommt ja irgendwann auch selber drauf.
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