Der 36-jährige Pianist Igor Levit spielt das dritte Klavierkonzert von Beethoven.
Wie?
Beinah unauffällig. Sachlich lyrisch. Es ist nur minimalste Selbstgefälligkeit im Ton. Wer wissen will, wie pianistische Wachheit mit einem Hauch von Beiläufigkeit klingt, voilà. Die Flöte tönt solistischer als Levit. Das Gefühl für die Kontinuität der Figurationspassagen (in denen sich die ersten Sechzehntel-Parallelsextakkorde in einem Beethovenkonzert verstecken >Popović) ist bestechend. Es gibt kein neues Thema in der Soloexposition wie noch vor Weihnachten beim 2. Beethovenkonzert mit Argerich/Barenboim.
Levit tönt in der Reprise das 2. Thema so ab, dass das Orchester, wenn es dran ist, unsensibel schallt. Levits Spiel ist heikel perfekt wie Pollinis Mozart vor 15 Jahren. Der Anschlag ist auf tänzelnde Art und Weise prozessual. Der Deutsche protzt nicht mit kristalliner Schärfe der Rechten. Und die Triller am Ende der Kadenz klingen wie extraterrestrische Nachrichten, die mit komplizierten Antennen aufgefangen wurden. Das Largo, wo Oboen, Klarinetten, Trompeten, Pauke schweigen, ist ein Traum aus Vierundsechzigstelsextolen.
Elim Chan dirigiert mit zwei ausgestreckten Zeigefingern. Chans Bewegungen sind genau und hektisch. In Rock und Stiefeln, mit wehendem Zopf kann man sie sich vorstellen als verbissene Rodeoreiterin, die ihre Konkurrenten in Grund und Boden reitet. Bei ihrem Doppelsprung zu Reprisenbeginn knallen die Absätze ihrer Stiefel lauter als das ff der Staatskapelle. Ihr Beethoven tönt etwas eifrig, immer auf die erste Zählzeit berechnet.
Warum Subito con forza von Unsuk Chin? Konzertmeisterin Jiyoon Lee – zum Beispiel – hätte Sarasates Carmen-Fantasie oder eine Sonate von Eugène Ysaÿe vortragen können.
Der zweite Levit: Der Pianist gibt das Es-Dur-Intermezzo von Brahms zu. Levit wird es jetzt am Freitag in der Londoner Wigmore Hall erneut spielen.
Es gab hier mal einen Dirigenten mit Vornamen Daniel, bei dem klappte Beethoven. Beethoven ist ja einer, den Thielemann etwas uninteressant interpretiert. Womöglich bekommt Thielemann Beethoven mit der Staatskapelle besser hin als mit den Berlinern oder Wienern.
Seit dem 24. 2. 2022 habe ich nur noch wenig Interesse an russischer Musik.
Besuchtes Konzert: Montag, Staatsoper Unter den Linden
Wie auch immer, hab mir eine Karte für den Lohengrin gekauft, maximal sichtbeschränkt und in fast derselben Besetzung wie drüben in Charlottenburg
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Ich hätte im Ernst mein gut gefülltes Gutscheinguthaben bei der Staatsoper darauf verwettert, dass Calleja bei Gioconda die Biege macht. Jetzt ist es passiert. Und nu?
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Das sind dann die letzten Giocondas überhaupt. Das weiß niemand, warum Aviel Cahn diesen Ponchielli absetzt. Ganz, ganz schlechter Start, Aviel Cahn.
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Mein Problem mit der Gioconda ist, daß ich mich nach 35 Jahren noch immer an das Cielo e Mar von Bonisolli erinnern kann, aber an sonst rein gar nichts. Hab das nochmal an der Met gesehn, da ist gar nichts hängen geblieben.
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Jetzt grad waren wir in der Universität der Künste, zum Infotag. Für Leute, die Musiklehrer werden wollen. Außer mir war kein Papa dabei, nur ein paar Mütter, aber egal, ich sollte das so. Am Eingang hing ein Transparent : Wir werden seit Jahrhunderten unterdrückt und dürfen nicht sagen, was wir fühlen. Daneben hätte ich am liebsten dieses gehängt :
https://en.wikipedia.org/wiki/Judith_Slaying_Holofernes_%28Artemisia_Gentileschi,Naples%29#/media/File:Artemisia_Gentileschi-Judith_Beheading_Holofernes-_WGA8563.jpg
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Jetzt am Sonntag war ich bei der Einführungsmatinee für die Rusalka. Wenn die Oper nur halb so gut wird, wird’s ein Erfolg.
Rusalka sitzt in der Badewanne einer WG anstatt im See und liebt den Prinzen aus dem Penthouse über ihr. Als sie ihn trifft, verschlägt es ihr vor Verlegenheit einen ganzen Akt lang die Sprache. Am Ende finden sie sich, aber der Prinz stirbt daran und sie hat nichts davon gehabt.
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Ja, der Herr Levit spielt also auch Klavier zugunsten der Hamas-Geiseln. Was soll das bewirken ?
Die Hamas lehnt eine Zweistaatenlösung ab, denn ihr Ziel ist die Auslöschung Israels und der Juden.
Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ab, weil er, wie alle, das weiß.
Dort im Nahen Osten geht das nun schon seit mehr als 3000 Jahren so, und es hat sich nie gebessert.
Goliath war ein Philister, das war in der der damaligen Sprache ein Palästinenser. Er wurde besiegt von David, einem Juden, der klüger als der andre stärker war. Geholfen hat es auf Dauer nichts. Sie bekämpfen sich noch immer.
Und so geht es weiter und weiter und so fort und immerfort.
Kann Herr Barenboim dabei helfen ?
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Speranza Scapucci in der Traviata hatte auch einen Zopf, allerdings nicht wehend, eher streng. Die steht an der Schwelle zur großen Dirigentin. Dirigiert mit dem richtigen italienischen Drive, und mit enorm exakten Bewegungen, wenn es drauf ankommt. Aber sonst eine ungekannte natürlich fließende (weibliche ?) Wärme, am ehesten noch zu vergleichen mit John Fiore. Nicht ohne Grund die erste Principal Guest Conductress in London. Großer Beifall am Ende, auch für sie.
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Und den Enkhbat würde ich gerne mal als Friedrich von Telramund sehen. Der könnte bei dem Volumen, das er hat, alle andren in Grund und Boden singen. Italienisch kann er schon nicht wirklich, also warum nicht auch Wagner auf Deutsch singen ?? Große Stimme mit großen Nuancen.
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Damit man Radbod, des Friesenfürsten Sohn, versteht.
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Und, überdies : wie war ich froh, daß es man endlich einen schönen, vollkommen untadligen Alfredo gab ? Das kommt ja nicht häufig vor, in dieser Rolle des Verlierers. Paolo Fanale (sic !) heißt er, geboren in Sizilien, und so singt er auch.
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Nur die schönste Verdi-Kantilene „Ah, perché venni, incauta!
Pietà di me, gran Dio!“ hat die Dirigentin völlig ignoriert. Andre machen ein Ereignis draus, sie nicht. Dabei wird es gleich dreimal wiederholt.
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War auch in Traviata. Scappucci war richtig gut. Yende war irgendwie von der Rolle. Koloraturen schlecht, Stimme unsicher, da passte wenig zusammen. Fanale prima außer Spitzentöne. Beide verbocken ihre von Verdi nicht notierten Spitzentöne. Vater Germont Extraklasse, wenn auch wenig Charme, aber denn brauchts nicht.
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Hat vielleicht einen nicht so guten Abend gehabt. Nichts ging über Yoncheva, aber die war auch Händel-gestählt. Was will man denn noch mehr ????? Ich erinnere mich an die erste Vorstellung mit Barenboim, wo er den Rhythmus auf den Boden stampfte, wo immer es notwendig war. Yoncheva war unübertreffllich, Piazzola auch, nur der eingesprungene Gebrauchstenor namens weißichwas war furchtbar. Haben Sie ein einziges Mal eine ideale Traviata gesehn? Dann hätten Sie mir was voraus.
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Die ideale Traviata :
Hvorostovsky
Lucia Aliberti
Tenor egal
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Spitzenton hat der Paolo nicht gesungen, so erinnere ich mich jedenfalls !
oder wars die traviata ?
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Es war schöne Musik. Daß der Mongole nicht jedermanns Geschmack ist, weiß ich auch. Wen gibt es sonst ?
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Schöne, launische Beschreibung! Ich habe Freude daran.
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Übrigens, Musikwissenschaftler, könnte sich nicht einer dieses dürftigen Artikels erbarmen:
https://de.wikipedia.org/wiki/3._Klavierkonzert_(Beethoven)
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Die englische Wikipedia weiß oft mehr, nicht nur in den MINT-Fächern :
https://en.wikipedia.org/wiki/Piano_Concerto_No._3_(Beethoven)
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Warum Elim Chaos Garderobe hier mit einfließen muss, um Ihren Stil zu beschreiben, erschließt sich mir nicht. Man hätte dementsprechend auch schreiben können, dass Igor Levits „Beinah unauffällig. Sachlich und lyrisch.“ Spiel mit seiner legeren schwarzen Jeans zu tun hat. Das wurde dann aber nicht…
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