Auf dem Bebelplatz bimmelt der Weihnachtsmarkt, drinnen, hinter schweinchenrosa Barockmauern, die einen Flirt mit dem Klassizismus wagen, vergnügt sich im Café Momus tout Paris.

Neues Jahr, neue Weihnachtszeit, neue Bohème-Besetzung.

Heute singen Pérez und Pop Puccinis Musik, von der Thomas Mann im Zauberberg behauptete, „und Zärtlicheres gab es auf Erden nicht…“

Bevor in der Sterbeszene geschluchzt werden darf, singt die Mimì der Ailyn Pérez mit gefühliger Fülle des Soprans und noblem Schmelz: Ihre Stimme kann das Lächeln des Glücks von Si, mi chiamano Mimì („Ja, sie nennen mich Mimì“) und die Angst vor dem Nichts in È finita, oh mia vita. Derweil entpuppt sich ihr amant als schüchterner, umso eifersüchtigerer Kerl, dem Stefan Pop sympathische Ausstrahlung, ein gewinnendes Bühnenagieren und eine angenehm leichte, anstrengungslos lyrische Tenorstimme leiht, die sich allerdings in den Hypertrophien des Verliebtseins – ein b, ein c werden erklommen – als doch schmächtig erweist.

La Bohème Staatsoper Berlin Ailyn Pérez, Stefan Pop, Evelin Novak

Musetta wechselt das verruchte Lockenblond (Bild oder Akt 2) in ein seriöses Pagenbrünett (Bild 3). So dezent Evelin Novak (ein Traum das Kleid in Bläulich-Violett) die vipera raushängt, so klar, genau gefasst, gehaltvoll und vorteilhaft geerdet ist ihr Koketten-Porträt.

Lindy Humes hübsche, unproblematische Inszenierung kontrastiert effektvoll Bilderbuch-Quartier-Latin und trostlose Februarkälte der anonymen Großstadt. Und bedient so die Zuschauerlust am Schauen, vergisst aber auch nicht Gefühl und Mitgefühl. Die inzwischen verdienstvolle Produktion von 2001 scheint man Unter den Linden in Würde altern lassen zu wollen.

Massimo Zanetti, grauer Schopf, gertenschlank, Mailänder, dirigiert sorgfältig, feinsinnig. Er modelliert Bögen, gibt den Sängern den Vortritt, animiert, durchaus Advents-gerecht und natürlich im übertragenen Sinne, die Geigensektion dazu, Engelsflügelchen anzulegen. Zanetti kann sehr leise, und langsam (Mimìs erster Arie), aber das Tutti schallt fest und elastisch – wie ein gut gereifter Camembert.

Von den liebenswürdig verlotterten Bohèmiens gefallen der Marcello von Andrzej Filończyk, ein Bariton mit Charakter und Klang, der Schaunard von Carles Pachon, David Oštreks Colline sowie der Parpignol von Johan Krogius und der spukige Benoît des Olaf Bär.