Verdis Mittelalterdrama hat die feurigsten Cabaletten, die meisten Melodien, die düsterste Handlung. Krieg, eine verbrannte Frau, eine Tochter, die das eigene Kind verbrennt, Brudermord, Scheiterhaufen, vendetta. Heutzutage ist die Welt nicht besser, aber die Arien sind nicht so schön. Librettist Cammarano verteilte 1851 die grausige Geschichte auf vier Bilder, zwei Abschnitte pro Bild – Grausamkeit in Symmetrie verpackt. Leonora findet dafür im vierten Bild die Worte cupo terrore, finsterer Schrecken.
Regisseur Philipp Stölzl hats nicht so mit dem Mittelalter. Er stellt eine lustige Renaissance mit Wams, Maria-Medici-Rock und Philipp-II-Hütchen auf die Bühne. Der Chor trippelt gruppendynamisch: Stölzls Zugriff pendelt zwischen verspielt und aseptisch.
Ivan Magri singt als heimatloser Todesmutiger ein gutes Di quella pira. Es ist die letzte Vorstellung. Er schont sich nicht. Er hat die Stimme, um heldisch, und das Gefühl, um elegisch zu sein. Wenn auch der individuelle Zugriff auf die Rolle ein bisserl ausbleibt. Wie befreit man diesen Manrico aus der Schablone des spanischen Schauersujets?
Die mit kräftigen Stimmen aufwartenden Osteuropäer, Sulimsky und Maximova, haben eines gemeinsam, das Italienisch ist undeutlich.

Marina Rebeka singt packende Aufstiege (zum Zungeschnalzen in der 1. Strophe der ersten Arie, in der sie von der Freude singt, die sonst nur angeli empfinden). Die zweite Arie – Thema: der über ihr schwebende Tod – vibriert dunkel. Danach, zwischen Miserere und Manricos Rufen, ist, schließlich geht es um ihr Leben, die dramatische Intensität des Singens da. Mira le acerbe, wenn sie um Manrico kämpft, schallt sie heftig und beherrscht. Wenn Rebeka Mühe mit den Verzierungen gegen Ende der Arien hat, so sind andererseits beide Cabaletten ein Vergnügen, wegen ihrem Temperament und ihrem Gespür für Tempo und Musik. Ein eindringliches und individuelles Porträt von einer der rätselhaftesten Frauenfiguren Verdis.
Axel Kober dirigiert Verdis Um-tah-tah beschwingt, zieht die Schlüsse in Tempobeschleunigungen hinein (im ersten Bild klappts nicht recht mit dem Zusammensingen, im zweiten gehts nicht besser). Im Großen Saal der Staatsoper klingt das Tutti hart und farblos.
Diese Ekaterina Chayka-Rubinstein hat eine dunkle Stimme, die man gerne hört.
Der Troubadour ist immer etwas Besonderes. Schon allein, wie Verdi hier das italienische System aus Rezitativ, Arie (Adagio), zweitem Rezitativ (tempo di mezzo) und Allegro-Cabaletta perfektioniert. Und dem Italiener fliegen die Melodien so reichlich zu, dass er in den Duetten der jeweils zweiten Stimme eine vollkommen neue Melodie spendiert.
Wird es 2023 oder 24 noch einen Trovatore in Berlin geben?
Besuchte Vorstellung von Il Trovatore: letzte der Serie.
Den Magri habe ich wohl verpasst. Gibt es einen individuellen, charaktervollen Manrico, der sich von den Zwängen der Rolle befreien konnte ?
Bitte hier posten.
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aspetisch. Das ist mißverständlich.
Aseptisch oder asketisch ?
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aseptisch. Korrigiert
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Überhaupt diese Verdi-Kantilenen, die sich über alles überheben !
Die vergleichbare in der Traviata geht so :
VIOLETTA
(Ah, perché venni, incauta!
Pietà, gran Dio, di me!)
Und sie wird gleich noch wiederholt.
Es gibt noch viel mehr davon, im Macbeth, Rigoletto, Forza, aber am besten im Falstaff im Quartett der vier lustigen Weiber, wo
sie das alles aufs Korn nehmen :
Ma il riso mio sul lui risplendera, come una stella, sull‘ immensita. Hahahahaha.
Text von Boito, Musik von Verdi.
Youtube-Zitat unauffindbar.
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misericordia
er traut sich nicht, dem Ambrogio irgendetwas entgegenzusetzen
strofinacci, via, via
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Antwort vom Deppl :
In seiner Verzweiflung hat er bereits einen Schritt gemacht, um aus dem Bildschirm zu fliehen, doch als er die Stimme des Mannes hört, schreckt er zurück.
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Guck mal an, Barenboim dirigierte 82 an der DO, Varady, Toczyska, Pavarotti, Salminen und ein bei Verdi stets ungenießbarer Fischer-Dieskau
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Jemand nannte den Fischi-Dischi mal Prof. Dr. Sir John Falstaff. Hab die Aufnahme zwar nie gehört, aber es könnte was dran sein.
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Mein Gott, heult der im Nil-Akt. Aber wenigstens bei der langen Verdi-Kantilene „pensa, che un popolo“ kann selbst der Kopf nicht ganz versagen und singt sie erstmal aus. Auf 5 oder 6 Atems, wo sich die grossen Italiener Mühe gaben, es auf einen zu singen.
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Damals wohnte ich noch im Rheinland und hatte Kiri oder Ruggiero oder Edita als meine Einführung in die Oper zu ertragen.
Der ich hernach nie mehr widerstehen konnte.
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Fischi-Dischi ist sowas wie Thielemann heutzutage. Man darf das diesen grossen Preussen nicht übelnehmen, die sind so und können nicht anders.
E cosi sia.
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Die haben beide dieses etwas absurde, auf die Spitze getriebene, angeborene Berliner Ego, was für sie vielleicht funktioniert, weil sie was können, für den Rest meist leider nicht.
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Berlins Operettendarma hat die allerfeinsten:
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Sollem wir was schreiben über die Rusalka von der Komischen?
Fische haben keine Popohintern, das steht fest.
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Eyvazow nennt sich dramatischer Tenor
https://yusifeyvazov.com
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Egal. Er war der beste Manrico seit Bonisolli, der nicht nur schreien, sondern singen konnte. Vielleicht hab ich ja zu wenig Manricos gesehen?
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s‘ ko scho sei
sogt dr Bondlkramer
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