Am Dienstag reiht sich das Deutsche Symphonie-Orchester in den bunten Berliner Solidaritätskonzertreigen ein. Staatskapelle und Deutsche Oper waren am Sonntag dran. Das Konzerthausorchester legt morgen nach. Unvermeidliche Begleiterscheinung jedes Soli-Konzerts: Die gutgemeinten Reden.

Aber ich will auch etwas Musik hören. Simpel-schön zu Beginn Lobodas Requiem for Ukraine für Geige solo, intoniert von Konzert-Mit-Initiatorin Lisa Batiaschwili. Geschmackssicher, wunderbar unaufdringlich, immer nobel, mit Herz, so wie man das von der Georgierin kennt und schätzt.

Verdis Unterdrücktenchor Patria opressa würzt Alan Gilbert mit Karajan’schem Pomp, schade, dass der Rundfunkchor Verdi mit Brahms verwechselt, das kann man von jedem Stadttheater-Opernchor mit mehr Gefühl hören. Worauf Ex-Weltstar Villazón Rezitativ und Tenor-Arie aus Macbeth schluchzt. Angemessen die wenigen Worte von Gilbert. Unnötig der Redestrom des Mexikaners. Nach Villazóns Larmoyanz wirkt die raffinierte Sachlichkeit der 20er-/30er-Lieder, die Max Raabe singt, ungemein wohltuend. (Raabe hält keine Rede.)

Die große Frage lautet, ob Ravels D-Dur-Klavierkonzert aus künstlerischen oder aus programmatischen Gründen ins Programm genommen wurde. Weil Auftraggeber Wittgenstein einen Arm im Ersten Weltkrieg verlor? Bei Ravel entsinnt sich das DSO offenbar seiner RIAS-Wurzeln. Von Gilbert animiert, klingt das Orchester westlich-amerikanisch, eben unkompliziert-burschikos und mehr so in die Richtung attraktiv-virtuos. Gilbert bringt Ticciatis Geigen zum Singen. Und Kirill Gerstein tästelt sich handfest russisch, nicht nüchtern-elegant französisch (wie einst Jeanne-Marie Darré) durch Ravels diskretes Meisterwerk. Das passt heute Abend.

Ich höre auf Kulturradio.

Ob die Rede der Politikprominenz nötig ist? Nach der interessanten Nationalhymne der Ukraine verstößt die Staatsministerin für Kultur und Medien gleich gegen zwei eiserne Regeln: Sie redet zu lang und zu pathetisch. Als die Ministerin mit tränenfeuchter Stimme auf die Zeichen der Solidarität zu sprechen kommt, bin ich befremdet. Bekanntlich sind am gleichen Abend drei osteuropäische Politiker etwas mutiger und besuchen kein Solidaritätskonzert, sondern Kiew. Aber Solidarität kann eben vielgestaltig sein, und man weiß ja, wie sehr man in Kiew über die bundesdeutsche Solidargabe von einigen Hundert Helmen immer noch aus dem Häuschen ist.

Höhepunkt sind zwei Sätze aus einem Oboenkonzert (1717) von Marcello, das François Leleux mit unnachahmlichem Gusto vorträgt. Sein Stil ist dem von Albrecht Mayer vollkommen entgegengesetzt. Bitte Leleux öfters buchen, Berliner Orchester! Mozartkonzert, Strausskonzert, Milhaudkonzert, Barock, ganz egal was. Auch die Arie aus der Matthäuspassion in der Fassung für Geige und Oboe entzückt (Batiaschwili, Leleux).

Es folgen weitere Reden. Heilige Cäcilie, hilf! Nur die Worte der ukrainischen Altistin Roksolana Chraniuk sind am rechten Ort. Bevor Villazón Straussens Morgen! singt, schalte ich ab. Man muss sich als Zuhörer nicht durch alles quälen. Man kann erwähnen, dass Carolin Pirich vom Kulturradio vollkommen angemessen und kompetent durchs Programm leitet.

Bei den Berliner Philharmonikern war vor Kurzem der Franzose Roth mit einem Strawinsky-Bach-Programm zu hören. Den Petruschka höre ich nicht, da ich derzeit auf St. Petersburger Butterwoche und russische Folklore keine Lust habe. Bei Bachs knappem Oboenkonzert A-Dur liefert Albrecht Mayer jedoch beste Oboen-Ware, so konzentriert, so kurzweilig schallt es, und so intim klangrednerisch spielt er. Hintersinnig das Legato. Näselnd singend das Adagio. Die Oboe d’amore (Beule vorm Schalltrichter) überrascht durch helle Farbe in der hohen, durch näselnde Enge in der Mittellage. Unglücklicherweise bleiben die Philharmoniker zwischen barocker Hurtigkeit und allzu beflissenem Konzertieren befangen.