Das ist aber mal eine mausegraue Rigoletto-Wiederaufnahme. Zumindest musikalisch. Erinnert sich in Berlin noch jemand? Vor der Pandemie sangen Sierra (berührend) und Garifullina (brillant) die Gilda und Fabiano (schneidig) und Demuro (elegant) den Herzog. Heute heißen die Kräfte Pirgu und Morley, er der Tenor-Mann fürs Verdi-Grobe, sie ein allzu blasses Verdi-Mädl, das ein paar schöne Momente hat. Wenigstens Repušić am Pult sorgt für melodramma-Feuer.

Wie war das noch mal mit Bartlett Shers zahmer, in Rot-Blau-Gold gehaltener Rigoletto-Vergegenwärtigung? Die schiebt die intimen Innenräume hin und her (Rigolettos Haus, Mörderspelunke), während sich in der Art-Deco-Festhalle die galauniformierten Höflinge tummeln. Die Typen vom Sicherheitsdienst (Breeches und Reitstiefel, beides in Schwarz) mimen die unverzichtbaren Bühnen-Nazis. Letztendlich flott konventionell spult also der gutgeölte Gang der Handlung ab. Ansehnlich sind indes die Kickboxing-Tritte von Gilda gegen ihre Entführer, Nadine Sierra hatte die 1a drauf.

Der Rigoletto von Christopher Maltman fesselt als Figur und ist sängerisch fast schon im grenzwertigen Bereich. Famos ist, wie Maltmann den Hofnarren als Familientyrannen und Egozentriker mit psychopathischen Zügen zeichnet. Ist also gar nicht der vergnügunssüchtige Duca, sondern die bürgerliche Patriarchats-Type Rigoletto, dessen hegemoniale Harschheit seine Tochter in den Tod zwingt, die Verkörperung des Bösen? Wie singt Maltman das? Das ist die Enttäuschung. Klangschönheit gleich null. Stattdessen: grobes Vibrato, scheppernder Metallklang, rohe Phrasierung, reizlose Halbstimme. Da wird Zuhören zu einem sauren Geschäft. Ich hab das offene Singen mit hochgetriebener Bruststimme schon im ersten Akt über: Der buffone als Blaff- und Brüllpartie. Schade, dass obendrein die Gilda der Erin Morley darstellerisch und vokal blass bleibt und Spitzentöne und Verzierungen ohne Brillanz liefert.

Rigoletto Staatsoper Berlin, Christiopher Maltmann, Erin Morley, Samir Pirgu, Marina Prudenskaya

Auch der rustikale Herzog von Saimir Pirgu fischt gerne unterhalb der Geschmacksgrenze. Die mit voller Kehle ausgesungenen Spitzentöne im Duett im 1. Akt machen sich schon in der Arie des 2. Aktes ungut bemerkbar und rächten sich endgültig bei der missratenen Piano-Reprise von La donna è mobile im 3. Akt.

So wenig Freude beim Verdi-Dreieck aus prima donna (Sopran), primo uomo (Tenor) und Bariton! Dafür lohnen die Nebenrollen. Da sind der finstere Sparafucile von Grigory Shkarupa (gestisch starker, unruhiger Bass), die auch vokal scharf charakterisierte Maddalena von Marina Prudenskaya (Kleid: grelles Christbaumgrün), insbesondere im genialen, der Katastrophe unmittelbar vorangehenden terzetto. Hörenswert die krass käufliche Giovanna (im grauen Kostüm) von Ema Nikolovska mit klangvollem Mezzo (das Abphrasieren auf gran signore!). Und beim flotten Flirt der Gräfin Ceprano tönt die schöne Stimme von Clara Nadeshdin (goldig schimmernde Robe) durch den Saal. Ich freue mich, Adam Kutny einmal wieder zu hören (als wehrhaften Monterone). Ihren Verdi-Mann stehen auch Carles Pachon (elegant hochragender Marullo), Spencer Britten (ein geleckter Borsa) und Benjamin Chamandy (als eifersüchtiger Ceprano).

Dennoch viel Beifall für Maltman und alle Sänger.

Für Verdis knappes, überreiches, allerdings ohne „großes“ Finale auskommendes Meisterwerk findet Ivan Repušić anfangs übermotivierte Töne, führt die Staatskapelle zu Lautstärke und Robustheit. Doch wird daraus, sobald ich mich eingehört habe, ein temporeiches, spritziges, geistreiches Dirigat, dessen bisweilen plakativer Elan Verdi besser ansteht als die so oft zu hörende Mainstream-Mäßigung bei Tempo, Rhythmus und Lautstärke. Ich würde gerne mal Thomas Guggeis mit Rigoletto oder Tosca hören.