Die mutlose Tosca von Alvis Hermanis, deren blasse Aquarellveduten nur von Sängerdarstellern wie Michael Volle aus dem ästhetisierenden Dornröschenschlaf geweckt werden können, funktioniert immer noch bestens als geschmeidige Star-Durchreiche. Da wird sich manch einer nach der wackeren Riha-Produktion, die 38 lange Jahre an den Linden zu sehen war, zurücksehnen. Die diesjährige Wiederaufnahme des Sardou-Schockers, der am 14. Januar 1900 melodiensatt das neue Jahrhundert einläutete, lockt immerhin mit Saioa Hernández in der Titelpartie, mit Premierembesetzung Sartori und Bösewicht Ambrogio Maestri.
Im Graben leitet Julien Salemkour. Bei seinem Dirigat kann man die Klangschönheit loben oder das zähe Ohrensessel-Tempo rügen. Wenn da nicht Drama und Biss fehlen. Die Klanghexenkünste Puccinis deutet Salemkour einseitig impressionistisch und voyeuristisch. Es ist keinen Deut leichter, eine gute Tosca zu dirigieren wie einen guten Tristan. Dafür gibt es am frühen Freitagabend (Beginn 18 Uhr) luxuriösen Streicherklang und donnernde Aktschlüsse. Die ersten beiden Vorstellungen leitete offenbar Orozco-Estrada.

Die beiden großen und großartigen Liebesduette gelingen frischer als die beiden Arien. Das gefühlgehaltvoll gesungene Vissi d’arte präsentiert sich heute als Gebet im Schneckentempo, leidet unter verwaschener Aussprache sowie einem strohigen hohen B. Und E lucevan ist ein allzu larmoyanter Abschied vom Leben.
Tosca Saioa Hernández (42 Jahre, Spanierin) hat Timbre, Stil, Persönlichkeit. Sie kann Gefühl. Es ist eine attraktive, wenn auch keine dramatisch reiche Stimme. Prägnanz und Eleganz ihrer Interpretation leiden unter einer gewissen Deklamationsfaulheit, und Spitzentöne gehören heute Abend bei ihr nicht unbedingt zum vokalen Tafelsilber. Der statisch agierende Fabio Sartori ist immer noch der Sänger der weinerlichen Leidenschaft. Aber kaum jemand produziert so prallschallenden Klang. Die Stimme ist edel bronziert, klangsatt und plastisch wie ein Strahl aus dem Wasserhahn. Standardisierte Vokalgesten wie das gutmütige Genervtsein bei ancora? und die neckische Zärtlichkeit bei davanti alla madonna? sind fast schon das Maximum an Detailgestaltung. Sein Tenor sitzt in den Duetten so gut wie eine Skinny-Jeans.

Ambrogio Maestri stellt einen kraftvollen, vokal prächtigen Polizeichef auf die Bühne, bärenhaft, ungelenk, watschelnd, bedrohlich. Er ist ein eloquenter Schurke, ein feiner Vokalist von unüberhörbar edler Kehle und vermutlich die derzeit schönste italienische Baritonstimme. Florian Hoffmann gefällt mir sehr gut (Spoletta). Jan Martiník zieht alle Register einer als Milieustudie angelegten Nebenfigur, die zuletzt zum Denunzianten wird (Mesner). Shkarupa ist ein kraftvoll deklamierender Flüchtling. Gibt es eigentlich noch eine Oper, in der die vier wichtigsten Akteure alle umkommen? Heute sind die Stellen, da das Orchester hinter den Sängern hechelt, besonders zahlreich. Die Standing Ovations halte ich für übertrieben, mögen aber der Lust auf Kultur nach den düsteren Pandemiemonaten geschuldet sein.
Sartori hab ich oft genug gehört.
Die Hernandez singt auch die Verdi premiere an der DOB.
Auf die sollte man achtgeben
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Upps… doch nicht
Umbeseztung… Sabirova übernimmt die Helene von Hernandez
Na solang der Domingo nicht Monfort singt…
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Die Vespri sind ja französch, nicht italienisch
Sorte fata! Oh, fier cimento!
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Dachte immer Sabirova wäre lyrisch-Koloratur, Lucia, Königin der Nacht etc. Naja Mercè dilette amiche ist ja auch Koloratur.
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Und mal ganz ehrlich der Martinik ist ein guter Sänger aber von der Inszenierung ist der Sagrestano so was von konventionell angelegt
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Habe selten einen besseren Sagrestano als Martinik gesehn
aber auf den kommts ja nicht so an
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Früher gab es Preise für solche Sänger, die Dr. Kolenaty, Dr. Grenvil, Colline, Sagrestano und anderes wie Sarastro richtig gut singen konnten. Man überlege sich nur mal, was für Leute diese Rollen woanders singen. Wir können stolz sein, daß wir so jemand wie den Martinik hier haben, und er bei uns bleibt !
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Aber was ist schon der „schönste“ italienische Bariton. Well, Maestri ist ein Sängerdarsteller, der tutto il teatro vom Falstaff über Gianni und Scarpia bis zum Amonasro überzeugend darstellen kann, und wenns drauf ankommt, kann er auch noch an den gewissen Stellen schön singen.
Aber der derzeit schönste italienische Bariton ist ein andrer :
Dem fehlt halt leider die Kraft für viele Rollen. Aber was ist schon Schönheit, vor allem in Berlin ?
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Und wenn die Tosca denn als Staroper funktionieren würde. Habe leider noch nie eine gesehen, die von Anfang bis Ende richtig gut gewesen wäre, zumindest, was die Tenöre angeht. Und da waren viele dabei, Domingo (indisponiert), Aragall (konnt immer nur eine Hälfte gut singen), von all den Gebrauchstenören zu schweigen. Mein Gott, was für Scarpias ich gesehn hab, der beste war Wixell, dann Milnes, Terfel, Pons und weiß ich wer. Von den vielen Toscas waren Kampe und Kabaivanska gefühlt die besten.
Aber eine richtig gute Tosca-Vorstellung muß ich mir immer noch im Kopf zusammenreimen. Gibt’s sowas vielleicht in Wien, mit Kaufmann und dieser Rumänin, die in New York drei Kleider trug und dann auld lang syne nicht singen konnte ?
Wie auch immer, ich hatte nichts gegen diese Inszenierung, als ich sie mal gesehn hab. Sie war am Text orientiert, zeigte durch die Comics ein paar Details auf, die ich noch nicht kannte, und ansonsten ziemlich konventionell. Daß der Scarpia sie nun von hinten nahm, nun ja, Onkels und Tanten…
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für alle Ungebildeten :
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Spielt das RSB die UA „Concerto piccolo („Eine Geschichte Russlands in 4 Hymnen“)“ übermorgen wirklich?
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Brug sagt Grigorian singt nicht in Pique Dame mit Berliner Philharmonikern
https://www.berliner-philharmoniker.de/konzerte/kalender/details/53840/
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