Kaum zu glauben, aber wahr. La Fanciulla del West erlebt ihre überhaupt erste Aufführung Unter den Linden. In der DDR war den Kultur-Granden die Oper vermutlich zu Klischee-mäßig westig. Danach lag der Barenboim-Fokus auf deutschem Kulturgut aus der Wagner-Ecke. Jetzt ist Premiere und Erstaufführung, und siehe da, Puccinis ewiges Opern-Sorgenkind erweist sich als ziemlich Linden-kompatibler Opern-Thriller. Da wird gehängt und geballert, gepokert und geknutscht. Der Plot ist eine ziemlich simple Dreiecks-Story, aber modern. Und Puccini ist nun einmal Puccini. Der verpackt die Goldgräber-Geschichte nämlich in flirrende, rigorose Musik, die faszinierend souverän zwischen herber Koloristik und gesteigerter Schlagkraft pendelt.

Das ist von rasanter Eindringlichkeit, gegenüber Madama Butterfly hört man erstaunt-beglückt einen Zuwachs an rhythmischer Spannkraft, an klanglicher Strahlkraft, an aggressiver Stimmschichtung, an schierer Orchesterautonomie, während die Goldgräberszenen locker an die turbulente Meisterschaft der Ensembleszenen aus Manon Lescaut und Bohème heranreichen. Dazwischen verströmen sich die Liebesszenen und Duette in einem Parlando-Stil feinster Machart. Für eine prima dirigierte Fanciulla gebe ich noch jeden Siegfried her.
Und wie verpackt Regisseurin Lydia Steier, US-Amerikanerin, Jahrgang 1978, die drastische Goldsucher-Fabel? So-naja. Das Ganze macht flotten Spaß, ist unterhaltsam und irgendwie ganz schön kurzweilig. Etwas Neon ist dabei, etwas Pin-up, ein bisserl Castorf, ein bisserl queer. Und den mobilen Kneipenausschank kennt man unter anderem schon von der Wiener Marelli-Fanciulla. Das Setting ist irgendwo zwischen 1960er und heutig angesiedelt. Steier erzählt geradlinig an der Story entlang: der Lover als gefühliger Temperamentbolzen, der Sheriff als viriles Raubein, dazwischen die patente Wildwest-Wirtin. Die schaut genauso tief ins Alte Testament wie in Männerherzen. Nichts wirklich Neues im Westen also. All-inclusive sind aber auch die sehenswerten Stunts, und so was wie die fotorealistische Milieu-Studie von Minnies Mini-Behausung gefällt mir immer.

Anja Kampe strahlt als bibelfeste Schankwirtin eine fulminante Kraft und Leidenschaftlichkeit aus, ihre Stimme hat Sehnsucht und Wärme, sie kann das wie kaum eine zur Zeit, nur im ersten Akt verrutschen zwei von drei Spitzentönen – die wurden mit ihren großen Sprüngen aus der Mittellage heraus aber auch fies komponiert. Unauffälliger agiert Marcelo Álvarez als reuiger Bandit Dick Johnson. Álvarez‘ Stimme besitzt Lyrik und attraktiven Tenor-Schmelz, allerdings singt er Ch’ella mi creda, die Ohrwurm-Arie der Oper, enttäuschend unstet. Anders Michael Volle, der die Partie des Sheriffs mit der ganzen ihm zur Verfügung stehenden ranzigen Aufrichtigkeit hinlegt. Volle kann das, es wird ein Porträt von martialischer, fast heldenbaritonaler Größe.
Das Besondere an Fanciulla sind aber auch die zahlreichen Nebenrollen, hauptsächlich der Minenarbeiter. Das sind scharf gezeichnete Porträts, von denen jedes feine, kleine dramaturgische Pointen setzt. Heute Abend sind das unter vielen anderen Stephan Rügamer (Nick) als Transe im rosa Kunstpelz mit tenoral herausstechender Stimmfarbe, Grigory Shkarupa als anrührender Lagersänger (Jake Wallace), Siyabonga Maqungo als vifer Trin, Jaka Mihelač als verprügelter Falschspieler (Sid) und David Oštrek als von peinsamem Heimweh ganz zerrissener Larkens. Fast zu klischeehaft das Unterschichten-Pärchen aus Žilvinas Miškinis (der Bill im Dauer-Suff) und Natalia Skrycka (so’n Mezzo ist schon eine Freude) als hochschwangere, stramm blondierte Indianerin Wowkle in Schlabberhose (Kostüme: David Zinn). Und last not least Spencer Britten als schlaksiger Postler sowie die Wells-Fargo-Type Ashby (Jan Martiník). Dass dessen Proll-Glamour fast schon zu dekorativ gerät (auch wenn der massige Martiník in Jeansshorts eine stete Augenweide ist), steht symptomatisch für die Inszenierung.

Die Überraschung des Abends dürfte Dirigent Antonio Pappano, Jahrgang 1959, sein. Der ist bald zwanzig Jahre Opernchef in London und dirigiert Puccini-erfahren, lässt das Orchester aufblühen, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Unter ihm tönt die Staatskapelle Berlin wie frisch verliebt und lang verheiratet zugleich, kann melodisches Strömen und brachiale Ausbrüche, ohne dass ersteres gleich sentimental und zweitere gleich knallig klingen. In dieser Form zählt der Brite mit italienischen Wurzeln sicherlich zu einem Kandidaten für die Barenboim-Nachfolge. Gut auch der Chor der Staatsoper in den hochdynamischen Massenszenen. Zum Schluss gibts viel Premieren-Beifall für die Sänger, freundliche Zustimmung und wenig Kritik für das Inszenierungsteam, zwei, drei Buhs höre ich. Am meisten Beifall allerdings für Pappano und das Orchester. Der Saal ist zu einem guten Drittel gefüllt, es wird während der Aufführung immer Maske getragen, die Gastronomie ist geöffnet, der Einlass geht am Seiteneingang flott vonstatten.
Weitere Premieren-Kritik: Kein Geniestreich, aber ansehnlich (Andreas Göbel), Böswillig Kitsch, gutwillig Poesie (Udo Badelt/Rüdiger Schaper), Geschossen und gehängt (u.a. Staatsopern-Kritik von Niklaus Halblützel)
Haben Sie da richtig zugehört ? Frau Kampe eine gute Wagner Sängerin, daher für diese Partie nicht leicht genug. Marcelo Alvarez lange über seinen Zenith hinaus, stark gepresst und ebenfalls fehlt Ihm die Leichtigkeit. Die Inszenierung langweilig, das hatte die DOB Berlin besser drauf. Antonio Pappano hat dem Puccini den Schmelz
gegeben wovon man leider bei den Hauptpartien vermisste. Wenn es um Liebe geht, ist schreien nicht angesagt.
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Ich fand ihre Tosca im Schillertheater eine der besten Berliner in den letzten Jahren
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live oder als Übertragung?
War doch ganz angetan per Livestream.
Schönes Bühnenbild gute Personenführung Kampe hervorragend
Volle wieder eine der Rollen die ihm einfach sitzen
stimme zu dass Pappano eine Wucht war. Sehr wirkungsvoll aber nie nur draufgehauen
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Ganz klassisch vor Ort. Meine Frau wollte unbedingt. Ich hätte mir das sonst per Livestream angesehen. Orchester etwas ausgedünnt, Harfe in der Proszeniumsloge, es klang aufregend vielstimmig. Hin und wieder ein paar Reminiszenzen an die vier früheren Puccini-Opern, aber eine rundum gelungene Partitur, keine Sekunde Langeweile.
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Eine leider relativ schwache Inszenierung, die ihren Fokus ausschließlich auf das Erzähltempo setzt und nicht auf die Beziehungen der Figuren untereinander.
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Wir wollen den Pappano nicht.
THIELEMANN
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Um beim Thema unbekannte Klavierkonzerte des 19. Jahrhunderts zu bleiben :-)
Es gibt zur Übersicht zwei Threads bei Tamino
Man muss mit den Urteilen nicht immer übereinstimmen aber als erster Überblick ist die Auflistung echt jut
https://www.tamino-klassikforum.at/index.php?thread/16000-das-romantische-klavierkonzert-hyperions-megaserie-vol-1-80/
https://www.tamino-klassikforum.at/index.php?thread/22110-romantische-klavierkonzerte-jenseits-der-hyperion-serie/
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Ist schon interessant. Ich höre seit ca. 4 Jahren regelmäßig selten gespielte russische und französische Klavierkonzerte – auch Violinkonzerte, aber da gibt es nicht so viele – (Rubinstein, Glasunow, Rimsky-Korsakow, Arensky, Saint-Säens, Balakirew). Von daher sind die mitteleuropäischen (DE, Ö, UNG, TSCH, POL etc) eher neu für mich, auch die früheren Virtuosenkonzerte. Ist ja hier schon gesagt worden, dass die mehr in der Linie Schumann-Brahms stehenden oft stärker scheinen als die neudeutschen. Volkmann, Fuchs, Brüll sind spitze.
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Henselt mit Löwenthal
Thalberg mit Ponti
Stenhammar mit Widlung
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Ich sah mal den Thielemann in der deutschen Oper auf einem Liederabend von Daniela Damrau. Er saß eine Reihe schräg vor uns. Er sah eigentlich ganz aus wie ein normaler, entspannter Mensch, aber wenn die Musik los ging, dann sah er plötzlich aus wie Thielemann.
In der Pause stand er mit ein paar jungen Damen in der Nähe der U-Bahn-Station Deutsche Oper und erklärte denen, was das besondere an Strauss sei. Die hatten wohl nicht mitgekriegt, was das besondre an ihm war…
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DOB 20/21
Ich weiß nicht ob da noch was dazukommt oder ob das noch mal eine Corona Spielzeit ist. Aber die Premieren gefallen mir alle.
3 x Ring
Rheingold Welton Blondelle Brück Schlicht Kutasi
Walküre Jovanovich Teige Lundgren Stemme Schlicht
Siegfried Clay Hilley, Paterson, Stemme, Huang (Mime)
Götterdämmerung O Neill Stemme Saks (Hagen)
Sizilianische Vesper Mazzola Py Pretti Hernández Tagliavini Manganello Lehmann
Schatzgräber (Schreker) Marc Albrecht Christofer Loy
Antikrist (Langaard) Dirigent Zilias
Meistersinger Runnicles Wieler Reuter, Vogt, Rachel Harnisch, Pesendorfer (Pogner)
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Seh ich auch so, tolle Premieren, von Vêpres bis Antikrist. Gefällt mir sehr gut, was der Schwarz da macht. Höre zwar Vespri und Don Carlo lieber auf Italienisch, aber das nur nebenbei. Weiß gar nicht, ob ich in den Ring gehe, teils wegen Unlust, teils wegen der Wotans, Welton Rheingold, Lundgren Walküre. Paterson Siegfried, oh Mann. Stemme ist natürlich toll. Die Tage Catherine Fosters auf den ganz großen Bühnen scheinen immerhin gezählt zu sein…
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Und die Bilder machen mich gar nicht an.
https://www.deutscheoperberlin.de/de_DE/calendar/production/der-ring-des-nibelungen-die-walkuere.1266545
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Und warum ist der Artikel über Thielemann von Spinola jetzt nur hinter Bezahlschranke? Dann braucht der auch gar nicht geschrieben zu werden
https://www.sueddeutsche.de/kultur/christian-thielemann-staatskapelle-dresden-dirigent-1.5329617?reduced=true
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Weil die Zeitungen auch noch Geld verdienen wollen?
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Nicht jeder betreibt einen Blog, wo er ungefähr sagt, was er denkt
So mancher muß auch sein Geld verdienen…
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Und jetzt ? Nichts mehr ?
Daß Slavka Zamecnikova aus Preßburg, wie meine Oma
http://slavkazamecnikova.com/
die Donna Anna singt, mit Barenboim
ist das keine Nachricht ?
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Wie auch immer. Tosca mit Ambrogio Maestri ist immer eine gute Sache.
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Ich werde ganz sicher nochmal zur Samson und Dalilah gehn. Der Schager kann das sicher auch. Und es gibt keine Diskussion zwischen Rachvelishvili oder Garanca.
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Ich träumte letzthin, daß ich Barenboim traf, und er wollte von mir wissen, was er denn noch dirigieren solle.
Da sagte ich : das Trittico natürlich.
Darauf er : das hab‘ ich ja noch nie gemacht !
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Volle koennte den Gianni Schicchi singen, nachdem er schon den Falstaf gut gemacht hat.
Wie waere es mit einem Berliner Erbschleicher ?
Anja Kampe als Suor Angelica, falls Ermonakova nicht verfuegbar ist.
Wer macht den Mantel ?
Schwieriges Stueck. Am besten Piero Capucilli verpflichten.
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Denken wir doch mal weiter.
Ermonahela oder Kampe als Angelica. Wer singt die Tante ? Nicht so einfach. Vielleicht Prudenskaya ? Die könnte das sicher. Wollte die das ? Wer weiß.
Rinuccio : Pavel Cernoch
Lauretta : Anna Prohaska
Wer fehlt noch, von den größeren Partien ?
Der Gianni könnte zur Not auch noch den Schiffer aus dem Mantel singen. Das Liebespaar aus der Ferne ist dasselbe wie im Gianni.
Suor Genoveffa : Elsa Dreisig
Anna Samuil könnte die Schiffersfrau singen. Wenn das keinen Sinn ergibt, dann vielleicht auch die Anna Prohaska. Obwohl die das wahrscheinlich nicht mögen würde.
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Stellen wir uns doch unsere Träume vor, und Thielemann wäre Musikdirektor der Staatsoper. Wen würde er als Dirigenten fürs Trittico engagieren ?
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Hier gibt’s noch einen jungen Tenor, der richtig sehr gut und gepflegt außergewöhnlich gut singen kann :
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trotzdem möchte ich lieber Thielemann als Pappano
es sei denn, Pappano macht alles, was Thielemann nicht kann, und der den Rest
Rigoletto, Tosca, Traviata, Chenier
and so on
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Höre gerade auf Kulturradio RBB Bayreuther Holländer mit Lyniv – – großartig
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Erinnere mich an selbiges mit Hans Sotin. Der war wohl der Daland ?
Egal, damals dachte ich auch : daß es sowas gibt !
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Sehr schön fand ich auch die Lehre Josef Metternichs, der zu Jonas Kaufmann sagte : wir müssen dat Tier in dir herausholen, un wenn et einmal da erus is, dann will et nie wieder zurück.
Der Tristan gehört für ihn nun wahrscheinlich zu den Lebensaufgaben, und deshalb hat er ihn mal probiert. Lieber wär’s mir, er würde endlich mal den Maskenball Riccardo / Gustavo singen, denn das ist die einzige grosse Verdi-Rolle, die ihm noch fehlt.
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Ich habe nur ein einziges Mal den Glatzkopf John Lundgren auf der Bühne gesehn, nämlich in der Fanciulla. Mag an der Oper gelegen haben, dass ich ihn nicht vollständig überzeugend fand.
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Der Giovanni aus Salzburg war der erste in meinem kurzen Leben, der die Champagnerarie fehlerfrei gesungen hat. Der war schonmal in der Opera Lounge der Deutschen Oper.
Ich habe deren mehrere gesehn… denen ist meist zwischendrin die Luft ausgegangen
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der hier war ganz ordentlich, aber das Italienisch war etwas schlampig :
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oder so :
la ci darem l mano…
non vorreste ?
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In Salzburg letzthin schien das alles ganz von alleine zu gehen. 20 mal geprobt, natürlich.
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Der hier kommt auch noch in Frage :
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oder so:
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Absolut genial Mallwitz neue Chefin im Konzerthaus
https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/joana-mallwitz-wird-chefdirigentin-am-konzerthaus-berlin-li.180014
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Ja, gar nicht schlecht. Beim Eschenbach werde ich 2023 wahrscheinlich kein einziges gewesen sein. Mit Mallwitz gehe ich da öfters hin. Mag das Konzerthaus weil kleiner inzwischen auch fast lieber als Philharmonie.
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My Goodness ! Barenboim is a life-long genius. How can you compare anything to him ?
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Iss ja auch janz ejal.
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weil sie es kann
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oder so :
ist jetzt aber eher Berlinerisch, und wird deshalb nicht gehn
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I remember having him seen at the Met at his debut as Gurnemanz. Although I don’t like the opera, as I don’t like all Wagner operas taking too long, I have to concede :
He has a great voice of a bassist.
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My father in law, at the elevator, at the Met, said :
And this is one from our house cast ?
Yes, I Iove Papee, said another.
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