Sabine Devieilhe? Da war doch was. Richtig. Devieilhe sagte im Frühjahr die konzertante Dinorah-Premiere an der DO ab, was den Wert der Vorstellung doch etwas herabsetzte (und dann fehlte auch noch Florian Sempey). Aber das ist Opern-Schnee von gestern. Jetzt ist Madame Devieilhe in Berlin, dieses Mal im Aluminiumblechzelt an der inzwischen autoverkehrberuhigten Herbert-von-Karajan-Straße.

Konsequent bleibt Sabine Devieilhe bei französischen mélodies. Da steht sie also in der für Corona-Maßstäbe gut gefüllten Philharmonie und spannt den Sopran-Bogen von den spätromantischen Nuit d’étoiles Faurés über Debussy und Ravel bis zu Poulencs spielerischen Fêtes galantes aus den 1940ern.

Die Stimme kann zaubern. Sie ist vorzüglich timbriert, erreicht die Höhe spielend leicht. Da ist viel Flair, ist viel Anmut, viel federleichter Klang und eine kristalline Diktion, und wie sie singt, wirkt dennoch vollkommen natürlich. Debussys Apparition gelingt exquisit. Les Berceaux von Fauré gleich nach der Mikro-Pause tönt fast noch besser. Man denkt: War das bei Crespin, Mesplé, Souzay besser?

Ihr neues Album trägt übrigens den fantasievollen Namen Chanson d’amour, die Französin folgt damit so illustren Damen wie Emma Kirkby, Edith Piaf oder Caterina Valente.

Aber Plattennamen sind Schall und PR-Rauch. C’est l’extase langoureuse (aus den abschließenden Ariettes oubliées von Debussy) sang Régine Crespin vermutlich mehr langoureusement, aber nicht mit klareren Farben. Devieilhes Singen tönt nicht ganz so glockenklar, so speziell timbriert wie das von Mady Mesplé, aber feiner schattiert wie das von Véronique Gens, frischer vom Vibrato her wie das von Barbara Bonney und spontaner wie das aller drei Genannten zusammen.

Ihre vokale Phantasie ist so groß, dass die Sopranistin es sich erlauben kann, bei Ravels Cinq Mélodies populaires grecques angenehm zurückhaltend zu agieren. Bravo. Etwas erstaunlich ist nur, dass die wenigen verzierten Passagen fast etwas abfallen, erstaunlich deshalb, weil sie sich einen (sehr guten) Namen im Koloraturgenre (Königin der Nacht, Lakmé, Titania, Ophélia, Olympia, Zerbinetta) gemacht hat.

Klavierpartner Alexander Tharaud erfüllt die Anforderungen, die man an einen Liedbegleiter, der mehr als nur Liedbegleiter sein soll, stellt. Von den zugegebenen Liedern von Ravel, Weill und Rameau sagt mir besonders der süffisante Weill (Youkali) zu.

Nachteil von Lied-Recitals in der weiten Philharmonie-Schüssel: In Block C, 1. Reihe, ist ihr Sopran (anders als der Flügel) doch schon etwas weit weg.