Den dritten Advent feiert man beim DSO mit dem Ostamerikaner Elliott Carter und dem Oberösterreicher Joseph Anton Bruckner.

Bruckner Sinfonie Nr. 9 d-Moll Berlin Philharmonie

Carters sechzehnminütiges Adagio Tenebroso ist ein Beispiel einer wunderbar entspannten Erzähl- und Komponierhaltung: Die Faktur ist locker und durchsichtig, dabei stets klar, die Bewegung fließend.

Welcher andere Komponist schrieb so intelligent und doch so – eingängig? Oder sollte man sagen selbsterklärend? So tönt Musik ohne vorlaute Subjektivität. Ein Leuchten liegt über jeden Moment, und aus tausend leuchtenden Momenten bauen Robin Ticciati und das Deutsche Symphonie-Orchester das Adagio auf, das den Mittelpart von Carters 1998 erstmalig aufgeführter, dreiteiliger Symphonia einnimmt.

Aus mindestens tausendeins Momenten besteht die Sinfonie Nr. 8 von Anton Bruckner, der nicht nur Oberösterreicher, sondern ab seinem 40. Lebensjahr auch Sinfoniker war. Ticciati gelingt die „Achte“ außerordentlich.

Der Brite, seit 2017 Chef beim DSO, hellt das Klangbild auf, gibt den Themen fließenden Umriss. Er fordert von seinen Streichern schlanke Disziplin. Im Gegenzug gestattet er ihnen ein silberglänzendes Strahlen, das die Höhepunkte bis hin zu jener goldglänzenden Coda im Finale kennzeichnet, dessen gleißende Streicher- und Bläserbrillanz wohl das besserwisserische Buh direkt nach dem Finale hervorruft.

Irgendwie mirakulös die Flöte beim Repriseneintritt im 1. Satz, wie sie hoch oben schwebt in diesem Vorhang aus Stille, der nach der ungeheuerlichen Scheinreprise die Philharmonie füllt.

Formidabel auch das Scherzo, das mit nervöser, scharfkantiger Energie gefüllt wird.

Im längsten aller langen Bruckneradagios fasziniert eine Lockerheit des Zusammenfügens und Aufeinanderfolgens. Ein frischer Klang ist am Werk. Selbst die todverkündenden Wagnertuben strahlen karajaneske Eleganz aus. Durch angezogenes Tempo und freies Strömen erhält der Satz mehr Schlüssigkeit und Ausdruck als in üblichen Aufführungen. Die streicherlodernde Aureole des fff-Ausbruchs höre ich selten so intensiv. Nur das direkt folgende Streicher-Unisono gerät ein Stückchen zu sehr markig.

Selbstverständlich spielt man die 1890er-Fassung. Ich gestehe, ich habe, je öfter ich das geheimnisvolle, rätselhafte c-Moll-Werk höre, Sehnsucht nach dem fff-Schluss des 1. Satzes aus der 1887er-Fassung.