Die suffseligen Contes d’Hoffmann an der Deutschen Oper gehen in die zweite Runde. Ja, schön anzuschauen ist, was Laurent Pelly zeigt. Von den verflossenen Lieben des Dichters E. T. A. Hoffmann erzählt die Inszenierung charmant und einfallsreich. Fantastische Lichtakzente (Joël Adam) und wie von Geisterhand sich öffnende Kulissen (Bühne: Chantal Thomas) machen den gut vierstündigen Abend (zwei Pausen!) kurzweilig. Ist es von Belang, dass die letztes Jahr nach Berlin geholte Inszenierung schon über 15 Lenze zählt? Eher nicht.
Man fragt sich, warum dieser Tenor nicht schon zur Premiere verpflichtet wurde: Marc Laho. Den leidenschaftlich liebenden Hoffmann singt Laho leichtstimmig beschwingt und wendig, so passend im Timbre, so perfekt im Französischen, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. Muss so nicht französische Oper klingen? Eine feine Stimme besitzt auch Heather Engebretson. Sie verkörpert alle drei tragischen Geliebten Hoffmanns. Die Stimme ist klein, aber intensiv. Aus ihr holt Frau Engebretson in Akt 2 den süßlichen, reizend seelenlosen Klang für die Puppe Olympia und in Akt 3 den mädchenhaft sehnsüchtigen Ton der Antonia. Und die Kurtisane Giulietta? Die gibt sie als eiskaltes Luder (perfekt in der Haltung, verletzlich im Inneren), das der Bösewicht Dapertutto in Hoffmanns Degen stößt. Engebretsons Mimì (Komische Oper) war eines der überzeugendsten Rollenporträts der letzten Saison.

Byung Gil Kim singt Hoffmanns diabolische Gegenspieler mit mächtiger Bassstimme. Sein rabenschwarzer Scheitel verbreitet Grusel. Doch ein fein, ein genau artikulierender Interpret mit blitzender Aussprache ist Kim wahrlich nicht. Das reicht nicht. Als Hoffmanns treuer Begleiter Nicklausse überzeugt Irene Roberts mit kraftvoll-emphatischer Mezzostimme. Ordentlich der Spalanzani von Jörg Schörner sowie der Crespel von Andrew Harris (auch Luther), wobei beide von feinerer französischer Artikulation unbeleckt bleiben.
Die skurrilen Dienerfiguren verkörpert Gideon Poppe mit zu viel Hampelei und auch das Couplet des Frantz im Antonia-Akt tönt bleischwer. Warum nicht einen frankophonen Schauspieler nehmen wie Bourvil in der Jobin-Doria-Boué-Bovy-Aufnahme? Wohlig gruselig hingegen die Stimme der toten Mutter (Ronnita Miller, bei der Premiere dachte ich, die Stimme wäre elektronisch verstärkt). Die Studenten Hermann und Nathanael singen Matthew Cossack und der formidable Ya-Chung Huang, den Pechvogel Schlemil, der Schatten, Liebe und Leben verliert, verkörpert Timothy Newton.
Vom Dirigierpult kommt eine ordentliche Leistung. Zwar klappert das Tutti ab und an, aber lyrisch schlägt der in Berlin relativ unbekannte Daniel Carter hörenswerte Töne an, Details gehen nicht unter. Diese komisch-tragisch-sentimentale Oper mit ihren frechen Chor-Ohrwürmern und den zahllosen, champagnergleich prickelnden Arien zieht am Zuhörer mit Tempo und Pepp vorbei. Auffällig langsam wird die Arie der Olympia genommen, oder etwa nicht? Der Chor der Deutschen Oper (ein Fest für die Augen: die 19.-Jahrhundert-Kostüme von Laurent Pelly) singt die Sauf- und Partyknaller erfreulich bissfest.
Ah, oui: Es gibt eine neue Version der Diamantenarie.
Meine Kritik zur Premiere: Koloratur-Apparatschik
Wäre ich mal lieber doch gegangen und meine Karte nicht vefallen lassen, aber mein Rücken wollte nicht :(
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Gute Besserung.
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Eine Frage,
in der Premierenserie gabs die Diamantenarie, jetzt die Spiegelarie???
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Spiegelarie
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Diamantenversion
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Bin selbst kein Hoffmann-Experte, aber die Arie, die Kim übrigens kaum textverständlich gesungen hat, war weder die Spiegelarie noch die Diamentenarie in der bekannten Fassung. Da offenbar die Kaye-Keck-Version gespielt wird, ist die an der DO gesungene Arie aber sicherlich die aktuell sinnvollste Version.
Obwohl ich das alte „Scintille diamant“ doch vermisse.
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Ach Gott, so ein Mist, sehe jetzt erst, dass ich geschrieben hab, die Spiegelarie würde gesungen. Nein, das natürlich nicht. Ich habs korrigiert.
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Hi hi…..
ja, das finde ich auch, obwohl ich die auch nicht schlecht finde. Esposito war in der ersten Serie überragend
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Gespielt wird in Berlin übrigens eigentlich auch nicht die Version Kaye-Keck, sondern eine Version, die man Keck-Fassung nennen könnte und die eigens für die Premiere der Pelly-Produktion in Lausanne zusammen mit Marc Minkowski eingerichtet wurde .
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Musikwissenschaft ist schlimm
Musik viel besser
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Die an der Deutschen Oper gesungene Arie des Daptertutto ist die selten zu hörende Version der Diamentenarie „Répands tes feux dans l’air“, 1880 von Offenbach komponiert. Insofern handelt es sich natürlich nicht um die Spiegelarie, aber auch nicht um die Diamantenarie der Monaco-Fassung von 1904.
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no puede ser
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Es kann nicht sein :
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das war, das war : klein Zack
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Ich stimme zu, was die sängereschen Leistungen betrifft. Die arme Heather Engebretson, die beim Walzer mit ihrem Segway auf die Nase geflogen ist! Aber sie hat gut reagiert und war bewunderungswürdig schnell wieder auf den Beinen! Meine Sitznachbarin bekam gar nicht mit, dass dies ein kleiner Unfall war. Die Inszenierung war und ist ein Volltreffer. Rätselhaft war allerdings, warum das Haus am Donnerstag halb leer war, während die Vorstellung heute alles in allem gut verkauft scheint.
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Hab die Inszenierung auch beim dritten Mal genossen. Der neue Tenor ist ein Gewinn. Engebretson auch sehr fein. Esposito als Böswicht hab ich vermisst.
Ihre Diskussion über die verschiedenen Spiegel- und Diamantenarien verwirrt mich. Meine Recherchen ergaben, die berühmte Spiegelarie hat jemand anders erst im 20. Jahrhundert komponiert, nicht Offenbach selbst.
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Ich glaube ich habe zur Verwirrung beigetragen.
Man sollte immer die Textzeile nennen anstatt von „Spiegelarie“ oder „Diamentenarie“ reden. Meinem Eindruck nach werden zumindest im Deutschen beide Bezeichnungen teilweise unterschiedslos verwendet.
Brug nennt Scintille diamant z.B. Diamantenarie, während Wikipedia Scintille diamant eindeutig Spiegelarie nennt, wobei ich finde, dass man „Scintille, diamant“ Diamantenarie und „Tourne, tourne, miroir“ Spiegelarie nennen könnte, aber egal…
Die Verwirrung rührt vielleicht auch daher, dass die deutsche Fassung von Scintille diamant „Leuchte, heller Spiegel, mir“ lautet, wonach im Deutschen generell von Spiegelarie gesprochen wurde.
Es gibt drei Versionen.
Danke Markus Her., dass er auf die in Berlin gesungene Arie „Répands tes feux dans l’air“ hingewiesen hat. Répands tes feux war definitiv das, was Kim gesungen hat.
1.
Die im 20. Jahrhundert lange Zeit maßgebliche Fassung. Erstmals in Monaco 1904 aufgeführt, Teil der 1907 veröffentlichten (5.) Choudens-Fassung. Die Melodie stammt aus Offenbachs Le Voyage dans la lune von 1875, die Instrumentierung von André Bloch.
Scintille, diamant, miroir où se prend l’alouette
Scintille, diamant, fascine, attire-la.
L’alouette ou la femme
A cet appat vainqueur
Vont de l’aile ou du cœur;
L’une y laisse sa vie
et l’autre y perd son ame.
Scintille, diamant, miroir où se prend l’alouette
Scintille, diamant, attire-la.
2.
Die seit den 1970ern sich durchsetzende Fassung aus der Kaye/Keck-Fassung.
War diese Fassung außerdem die von 1881 bis 1904 die gebräuchliche?
Tourne, tourne, miroir où se prend l’alouette.
Scintille, diamant, fascine, attire-la.
L’alouette ou la femme
A cet appat vainqueur
Vont de l’aile ou du cœur;
L’une y laisse sa vie
et l’autre y perd son ame.
Tourne, tourne, oui.
Femme, oiseau, le chasseur est là!
Qui vous voit, qui vous guette,
Le chasseur noir est là, est là.
Le chasseur noir vous voit, vous guette
Le chasseur est là,
Scintille, diamant, tourne, ô miroir!
Le chasseur est là,
Le chasseur noir.
3.
Diese Fassung ist scheinbar Teil der autographen Klavierpartitur von 1880. Interessanterweise ähnelt diese selten gespielte Fassung melodisch zumindest an einer Stelle „Scintille diamant“.
Répands tes feux dans l’air
[ich finde den Text nirgendwo]
Keine Garantie für 100%ige Richtigkeit der Texte und Daten. Ergänzungen und Berichtigungen willkommen.
Eine gute Übersicht bietet die Zusammenfassung der Fassungshistorie von Kaye/Keck bei Schott
Klicke, um auf Hoffmann-Opernfuehrer_final_KAT3175-99.pdf zuzugreifen
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Ist das nicht alles Blödsinn ?
Ich meine, ich war auch lang genug ein Wissenschaftler. Wozu hat’s geführt ?
manches geht gut und wird berühmt
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Et la voilà, la chanson…
Répands tes feux dans l’air…
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Sie haben nie den Skandal an der Kölner Oper miterlebt.
Damals, im Jahre 1985 so ungefähr sprang ein Tenor namens Ion Buzea mitten in einer Hoffmann-Vorstellung an die Rampe, und empfahl dem nach seiner Arie lauthals buhhendem Publikum, doch besser nach Hause zu gehn, denn die Türen seien offen.
So ungefähr 20 Jahre später traf ich in der Met (die weiteren Verwicklungen sind zu kompliziert) einen amerikanischen opera buff, der in derselben Vorstellung saß.
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Sie haben nie den Skandal an der Kölner Oper miterlebt.
Damals, im Jahre 1985 so ungefähr sprang ein Tenor namens Ion Buzea mitten in einer Hoffmann-Vorstellung an die Rampe, und empfahl dem nach seiner Arie lauthals buhhendem Publikum, doch besser nach Hause zu gehn, denn die Türen seien offen.
So ungefähr 20 Jahre später traf ich in der Met (die weiteren Verwicklungen sind zu kompliziert) einen amerikanischen opera buff, der in derselben Vorstellung saß.
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wer ist der Sänger ?
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zerstör‘ ich dann sein Leben ??
durch deinen Glanz
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TUTTI
Tutto nel mondo è burla.
L’uom è nato burlone,
La fede in cor gli ciurla,
Gli ciurla la ragione.
Tutti gabbati! Irride
L’un l’altro ogni mortal.
Ma ride ben chi ride
La risata final.
cala la tela
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