Kleine Lieder, große Szene, apart gemischtes Programm.

Ein Solo-Abend von und mit und für Katharina Kammerloher im Apollosaal der Staatsoper Berlin. 

Vortragsfolge und Liedauswahl bezaubern und überzeugen. Es dominieren Brahms und Wolf. Abstecher führen zu Mahler, Schönberg, de Falla und Hermann Reutter.

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Der Lied-Mix stimmt. Aber auch Zugang und Perspektive sitzen. Jedes Lied tönt persönlich – als wär jedes von ihnen ureigenes Kammerloher-Terrain.

Kluges vokales Agieren gibt jedem Lied die eigene Stimmung. In Begegnung (Hugo Wolf, nach Mörike) erhalten die verschämt Liebenden eine lyrische Bühne, die mit dem letzten Ton wie von Zauberhand verfliegt. Opernhaft ist der Gestus in Schönbergs mondäner Galathea (nach Wedekind). Die kecke Mahnung, die direkt folgt, streift die Karikatur – beide gehören zu Schönbergs berühmten Brettl-Liedern

Kammerlohers Stimme klingt kraftvoll in der Mitte und leuchtet mezzo-herb in der Höhe. Temperament für rollenschlüpfendes Singen beweisen sich auch im tändelnden Vergebliches Ständchen (Brahms), das humoristisch ausgeleuchtet wird, und im kokettierenden Verlorne Müh‘ (Mahler). Gelungen ist die komödiantische Überschwänglichkeit in Brauner Bursche (Brahms).

Der persönliche Stimmklang ermöglicht erst die kluge Text-Exegese.

Von den Duetten ist Da unten im Tale (Brahms) fast das ergreifendste. Es nimmt den Volkston ernst, ohne die Kunstform zu verleugnen. Im Baritonpart der Duette ist Roman Trekel zu hören, der mit fester, souverän geführter Liedstimme den Stücken das Relief gibt. Kammerlohers Mezzo ist sinnlicher, Trekels Bariton rhetorisch markanter. Vorbildlich wortdeutlich agieren beide.

Sie trägt bodenlang wallendes Burgundrot (Zierblume am Dekolleté), er raffiniert-strengen Gehrock mit messerscharfem Vatermörderkragen. Am Flügel liefert Klaus Sallmann das präzise Fundament für die solistischen Höhenflüge.

Noch mehr Liedgut von Brahms und Wolf folgt nach der Pause, unter anderem das hintergründig neckische In dem Schatten meiner Locken (Wolf) und die auf einem kontemplativen Gedicht von Daumer beruhende Liebesglut. Dem Lied spendierte Brahms eine seiner schwermütigen Melodien.

Auf der Zielgeraden kommt der Schwenk auf spanisches (Lied-)Territorium. Vorhang auf für die Siete Canciones populares españolas von de Falla. Sie erklingen erstmals in der Klavierquintett-Fassung von Christian Dominik Dellacher (es spielt das Ensemble Monbijou). Das klagende Asturiana lebt von der Folge wehlautender Vokale, die in die einfache Melodik geflochten werden wie Perlen einer Kette. Die Lieder kann man klarer, unerbittlicher singen, doch kaum reicher, persönlicher wie Katharina Kammerloher, die heuer ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum an der Staatsoper feiert.

Als Zugabe Hans und Grethe von Mahler.