Andreas Schager, der zur Zeit Lohengrin in Wien singt (am Freitag zuletzt, erneut übermorgen), gastiert im Apollosaal der Staatsoper Berlin. Auf dem Programm stehen Lieder von Wagner, Beethoven und Strauss. Seine Frau, die Geigerin Lidia Baich, steuert im Reißverschlussverfahren Stücke von Wagner, Prokofjew und Strauss bei. Es ist ein gelungenes Lied-Recital.

Der Wagner- und Strausstenor als Kunstliedinterpret. Man macht sich seine Gedanken, während Schager singt.Andreas Schager Lidia Baich Staatsoper Berlin

Zu Beginn Wagners Wesendonck-Lieder. Gedanke 1. Wagner ist für Andreas Schager vertrautes Terrain. Er setzt heldentenorale Glanzlichter, singt die schallenden Höhepunkte mit großer Energie. Doch Schager will mehr. Da ist die behutsame Dynamik, er zügelt die Stimme, geht ins gestalterische Detail. Schager, eigentlich kein genuin expressiver Sänger, sucht den inwendigen Ton (Wenn Aug‘ in Aug‘), lässt Konsonanten an Phrasenenden in die Stille ausklingen.

Ein akribischer Textexeget à la Ian Bostridge ist Schager dennoch nicht. Gedanke 2. Da singt kein Lied-, sondern ein Opernsänger. Die Gestaltung ist weniger filigran, mehr breitpinselig. Man hört’s am lyrischen Ich, das robuster jubelt. Der Liedsänger als Naturbursche. Stereotyper, will sagen opernhafter, auch der Klageton in Schmerzen. Hier interpretiert der Tenor pauschaler als ein Lied-Profi.

Gedanke 3. Schagers Herkunft von der großen Musiktheaterbühne hat aber ihr Gutes. Sie schützt vor Tiefsinn-Frickelei und intellektueller Überfrachtung. Schager singt auch nach Instinkt. Was Schager singt, sitzt, passt, wackelt und hat Luft. In Ruhe ausgebreitet, sicher, mit Gefühl für den großen Bogen wird Wagners Träume interpretiert. Und eine Wagner-Stelle hat sogar einen gar nicht so unstatthaften operettigen Schwung. So was öffnet Lied-Perspektiven. Die Lieder aus Beethovens Zyklus An die Ferne Geliebte, die ernst und dennoch selten unangestrengt klingen, profitieren ebenso von Schagers Zugang.

Zwischendurch geigt Lidia Baich. Gedanke 4. Wie charmant, Isoldes Liebestod als schwärmerische und feurig drängende Kammermusik zu hören, als die sie Baich spielt. Irgendwie ein ziemlicher Genuss. Bei Rimsky-Korsakows Scheherazade vermisse ich die Glut und bei Prokofjews Romeo-und-Julia-Exzerpten ist der Flügel (Klaus Sallmann) zu laut. Schön dann wieder das Finale aus Strauss‘ Violinsonate.

Schager, Niederösterreicher und Landwirtssohn, hat eine feste, kaum vibrierende, in Höhe und Mitte helltimbrierte Stimme. Das Piano trägt, die Mittellage ist schlank und hat schön gerundeten Ton. Da man hört den einstigen lyrischen Tenor durch. In der Höhe ist Schager ganz bei sich. Die Farbpalette ist schmal, der Ton manchmal etwas zu gerade.

Zuletzt vier Lieder von Richard StraussIch trage meine Minne erklingt aus einem Impuls entwickelt, das Ständchen gerät spannend und hinreißend, Winterliebe prachtvoll ungestüm. Klaus Sallmann begleitet sicher.

Die Zugaben: Strauss‘ Zueignung und als Prunk- und Kürstück Puccinis Nessun dorma, an dem Schager ebenso viel Freude hat wie die Zuhörer. Der Tenor singt die Puccini-Kostprobe mit majestätischem Ton, aber recht eckig und so ohne jede italianità, dass es schon wieder großen Spaß macht.

Heftiger Applaus.


Meine Kritiken von Andreas Schagers Wagner-Auftritten an der Staatsoper Berlin: Schagers Parsifal 2018 in Berlin, sein Tristan in der Berliner Premiere 2018, beide Male unter Daniel Barenboim.