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Mit viel Vorfreude gehe ich in den Lohengrin (hört man ja sooo selten), um Groissböck, Vogt, Nylund und Smirnowa mal wieder zu hören.
Aufällig sind die Gemeinsamkeiten von Vogt, Nylund und Gantner, der den Telramund singt. Alle drei singen expressiv zurückhaltend, geben der Musik den Vorrang vor der Deklamation, haben helle Stimmen, kolorieren behutsam, und besonders Vogt und Nylund phrasieren mit viel Erfahrung. Als Fitnessprogramm kann Klaus Florian Vogt die Rolle des Lohengrin (ganz brav mit Ansteck-Flügel) kaum nutzen. Mehr als gemessenes Schreiten sieht die Regie (Kasper Holten) nicht vor. Man kennt Vogts Lohengrin, man hat’s schon öfters gehört. Dennoch verblüfft der radikal liedhafte Zugang aufs Neue, Vogt singt
gewohnt schwingungsarm und bekommt das Kunststück hin, zugleich sachlich und lyrisch zu klingen. Gerade daraus erwächst jene Kantabilität, die spröde und innig ist. Vogt besitzt allein schon Autorität durch die absolute Text-Verständlichkeit. Anfangs stören mich – wie immer! – das fehlende Legato und Mängel beim Rhythmusgefühl (also italianità). Das zarte Relief des Textes wirkt wie schimmerndes Pastell und lässt doch kaum eine Nuance aus. Ich bin begeistert. Camilla Nylunds weißgewandete Elsa ist eine bannende, eher statuarisch-mütterliche Bühnenerscheinung. Sie singt instrumental, nur die Mittellage klingt belegt und es fehlt heute die klangliche Rundung. Nylunds Spiel streift das Schematische (wie aufwühlend war Annette Dasch!), die kleinen, bedeutsamen Gesten beherrscht Nylund aber aus dem Wagner-Eff-Eff. Für die Mädchenträume von Einsam in trüben Tagen ist die Stimme zu reif. Eine unspektakuläre, doch beeindruckend fehlerlose Leistung.

Nicht missen möchte ich Anna Smirnowa, die die Ortrud als intrigantes Miststück spielt. Die russische Sopranistin überrascht durch die gute Diktion, sie hat Gefühl für Vokale, Konsonanten, Silben, wichtige und unwichtige Worte. Von russischen oder ukrainischen Sopranen hört man oft genug nur einen gurgelnden Klangstrom. Smirnowas Spitzentöne sind außerordentlich. Ihre fiese Intrigantinnen-Mimik ist aller Musiktheater-Ehren wert. Die Energie des Singens ist groß. Das ist auch bei Martin Gantner (Telramund) so, der viel Zeit auf dem Boden liegend verbringen muss. Gantner verfügt über einen sehr interessanten, nicht großen, aber gut fokussierten, beweglichen und lebhaft vibrierenden Bariton ohne besonders bassige Färbung. Telramunds Vortrag besitzt Spannung und Dramatik. Günther Groissböck (König Heinrich) besitzt eine der prächtigsten Bassstimmen der Gegenwart. Fast muss Groissböck sich hüten vor zu viel Schönheit. Eine gute Leistung bringt Heerrufer Dong-Hwan Lee mit energischer, leichter, fast fliegender Stimme.
Die vier Edlen singen Ya-Chung Huang, Andrew Dickinson, Paull-Anthony Keightley, Bryan Murray, die charmanten Edelknaben Andrea Schwarzbach, Saskia Meusel, Cordula Messer, Martina Metzler-Champion. Wer sind denn die anderen vier Frauen-Solostimmen der Brautgemachszene? Der Chor ist ein Traum. Die aggressive Härte der Männerstimmen bläst den Zuhörer um. Warum ist der Chor der Deutschen Oper so viel besser als der der Staatsoper?
Kasper Holtens Inszenierung funktioniert sechs Jahre nach der Premiere gut.
Justin Brown dirigiert. Es geht los mit Schreck. Ich höre das schlechteste Lohengrinvorspiel seit zehn Jahren. Weichgespült und ausgewrungen. Wagner-Softeis für die Tonne. Dann zeigt sich: Brown ist gut, wenn er ruhige Tableaus ausbreiten kann. Die Sänger schweben auf großen Bögen. Justin Brown leitet eher elegant als energisch, eher athmospährisch als plastisch. Manchmal überhört man das Orchester geradezu, so unscheinbar ist Brown drauf. Auffällig die silbrigen Geigen. Aber Umsicht und Übersicht sind top.
Der Lohengrin an der Deutschen Oper ist ein homogene Leistung von erstaunlicher Höhe. Ein Lohengrin ohne überharte Deklamatorik bei den Sängern. Alle artikulieren prägnant. Alle singen.
Foto: Marcus Lieberenz
War gestern Abend,
kann den Eindruck fast bestätigen. Vor einem Jahr habe ich Fr. Harteros gehört, war um Längen besser als Fr. Nylund. Wie die in Wien die Kaiserin singen will in dem großen Haus…..Hier fand ich sie mal gerade so lala
Smirnova und Groissböck überragend. Gantners Stimme fehlte ein bisschen die Schwärze.
Vogt ist wohl wirklich der beste Lohengrin in dieser Zeit, sehr berührend. In der letzten Szene hatte er einen sehr kleinen Frosch im Hals :-)) Sei ihm sehr peinlich gewesen, meinte er bei unserem Lieblingsitaliener…..
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Ich war auch in der Sonntagvorstellung, zum x-ten Mal diese Inszenierung und zum x-ten Mal Vogt als Lohengrin. Begleite ihn jetzt seit zehn Jahren mit dieser Rolle und verfolge, wie er sich verändert – stimmlich, aber auch interpretatorisch.
Am Sonntag ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie Vogt bei seiner Ansprache an Elsa in „Wirst“-Du und „Willst“-Du eine Bedeutung und eine Schärfe hineingelegt hat, dass man allein in dem „Willst“ (Du niemals mich befragen) die ganze Dramatik als Vorausdeutung hörte. Irre.
Der Frosch in der letzten Szene, ja, der war nicht zu überhören. Umso klarer der Ton in der weiteren Phrase. Ich bin immer wieder hingerissen von der „Taube“, die bei Vogts Singen sich wirklich flatternd niederlässt – und das singt er auf lediglich zwei Silben aus!
Der beste Lohengrin unserer Zeit, Herr Mohrmann, Sie haben absolut recht.
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Danke für die Zustimmung…..:-))
Ich bin nun auch wirklich kein kritikloser Fan von Künstlern, sein Operetten“konzert“ im Dezember war eine Zumutung…..
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Nylund war in Frau ohne Schatten im September sehr gut. Jeder Ton saß, nichts gemogelt, nie einen Eindruck, dass sie überfordert war, ganz so wie man sie kennt.
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