Marina Prudenskaya, Ensemblemitglied der Staatsoper Berlin, singt im Apollosaal Lieder von Rimski-Korsakow, Berlioz, Strauss und Mussorgsky. Darunter sind mit Berlioz‘ Nuits d’Été und Mussorgskys Liedern und Tänzen des Todes zwei kühne Gipfelwerke der Liedkunst des 19. Jahrhunderts.
Am Beginn des Recitals stehen aparte Lieder Rimsky-Korsakows nach Gedichten von Puschkin, A. Tolstoi und Lermontow. Die Lieder pendeln zwischen elegischer Liebesmelancholie und hitzigem Gefühlsausbruch. Prudenskaya, gebürtig aus St. Petersburg, verbindet gekonnt beide Ausdruckssphären. In Oh, könntest du nur (О если б ты могла хоть на единый миг) löst sie die von Schmerz erfüllte
Sinnkurve aus dem dunklen Strudel der Vokale und haucht ihr Sinn und kohärente Form ein. Im optimistischen Schöner als das Lied der Lerche (Звонче жаворонка пенье) gerät jeder Ton zur Proklamation eines stolzen Lebensgefühls. Die Sängerin realisiert dies als mal zarte, mal feurig souveräne Liedkunst.
Berlioz‘ sechs Gesänge der Nuits d’Été folgen. Versammelt um den konzentrierten, prächtig dunkeln, temperamentvollen Klang ihres Mezzosoprans, entsteht die (Klang-) Mystik von La Spectre de la Rose ebenso klar wie geheimnisvoll. Anders das bitter-verzichtende Absence. Hier scheinen die Töne aus der Zisterne verschlossener Gefühle geholt (man kann an einen gewissen Hector B. denken).
Nach der Pause folgt fünf Mal Richard Strauss. Am intensivsten vielleicht gelingen Traum durch die Dämmerung und das Strauss-typisch mild verkitschte Nachtgang (beide nach O. J. Birnbaum). Bei beiden Liedern stehen der dramatisch erfüllte Ausdruck, nicht die im Sinne gesanglicher Kulinarik exponierte Gesangslinie im Zentrum.
Für die düsteren Lieder und Tänze des Todes erweist sich das verschattete Timbre als Glücksfall. Die Lieder erklingen authentisch. Deren Ausdrucksgehalt (eine Mischung aus fahler Expressivität und bedrohlicher Monumentalität) reicht bis zur Darstellung des überpersönlichen Grauens des Krieges. Prudenskaya zeichnet die vielfältigen dramaturgischen Linien reich und genau nach. Folgerichtig wird das wie erstarrt beginnende Trepak (Трепак) in einen Strudel der Schattierungen, der dramatischen Schmerzensakzente hineingezogen. Auch das schauerliche Der Feldherr (полководец) lebt und leuchtet. Hier findet die Interpretin in der Tragik des Ausdrucks quasi zu sich selbst.
Günther Albers, von 2010 bis 2015 Repetitor an der Staatsoper Berlin, begleitet am Flügel lebhaft und phantasievoll (besonders bei Berlioz, na eigentlich überall – der Mann dirigiert Lulu. So jemand kann was).
Stürmischer Applaus.
Zwei Zugaben, beide von Rachmaninow, beide sehr gut.
Mensch, ich muss mal zu einem der Liederabende an der Staatsoper gehen. Diese Termine habe ich leider nie im Blick. Prudenskaya würde ich gern mal so nah hören.
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Die Rimsky-Korsakow-Lieder waren auch gut
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Eine wunderbare, zentrale Künstlerin, bei Verdi ebenso wichtig und unersetzbar wie bei Wagner und Russischem (Zarenbraut). Ich habe sie zuletzt vor zwei Wochen als Herodias gehört und erlebt. Sie war Waltraute in Bayreuth, als Amneris soll sie auch gut sein.
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Und als Götterdämmerung-Waltraute 2016 war sie aufs Ganze gesehen die überzeugendste Interpretin der gesamten Besetzung unter Janowski (Die 2017er Götterdämmerung habe ich leider verpasst). Tja, ist schon schade, dass der Castorf-Ring vom Tisch ist. Waltraute-Prudenskaya im Schlangenhautkleidchen, mit Glitzerbadekappe und in der Hand den Flitzebogen. Ach!
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