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Konzert der Staatskapelle Berlin im Großen Saal des Konzerthauses.

Unter den schwammigen Augen der Komponistenbüsten, allesamt Verkörperungen eines hanebüchenen Spätstils der DDR, höre ich Beethovens symphonisch keckes C-Dur-Klavierkonzert.

Piotr Anderszewski hat seine besten Momente in der improvisatorisch wogenden, weiträumig geordneten Durchführung des ersten Satzes. Anderszewski, der Fastfünziger, wirkt ja trotz Haarsilber auffallend jugendlich. Der Pole strahlt Melancholie aus, wirkt zerbrechlich, nett – und doch gewieft, hochkonzentriert. Wie er spielt, das outet Anderszewski als Meister pedalisierten Farbenspiels. Im Molto-Espressivo-Largo knipst Anderszewski das Schummerlicht an

und spielt die frei figurativen Teile betörend weich aus. Er bedient sich eines intelligenten Rubatos, aber doch nicht ohne Allüre. Das Finale choreographiert der Pole als transparente Licht-und-Schatten-Etüde. Das ist ergreifend und schön, das Gegenteil kühler Artistik. Wer da nur den verhuschten Impressionismus heraushört, verkennt Anderszewskis eminentes Können, auch wenn freilich der Anschlag Härte und Klarheit vermissen lässt, die Herausarbeitung von dynamischen Details prägnanter und die Phrasierung bedeutender sein könnten.

Daniel Barenboim Staatskapelle Berlin Konzerthaus

Nicht ganz ausverkauft ist’s, nach der Pause klaffen Lücken in den Parkettreihen.

Und damit zu Jörg Widmann, dessen Schaffen sich neben einer regen Konzerttätigkeit erstaunlich munter entfaltet. Werk auf Werk entsteht. Merkt man’s an der Qualität? Widmanns Con brio? Mau inspiriert. Sein Klavierkonzert? Mittelinteressant. Flûte en Suite? Mäßig überzeugend. Teufel Amor? Pseudodrastisch. Heute hören wir Armonica. Und siehe da. Das Stück funktioniert, indem es sich einem numinosen Vor- und Rückfluten von Klangtrauben verschreibt, und um diese wallen akzentscharfe Schleier von Glasharmonika (in der Gestik an eine Töpferin erinnernd: Christa Schönfeldinger) und Akkordeon (Teodoro Anzellotti). Das hört sich unverstellt, zugespitzt an, fernab des Eklektizismus, dem Widmann ansonsten gerne frönt.

In Alban Bergs Drei Orchesterstücken hält Daniel Barenboim die Klangsuppe stets am Kochen, die Staatskapelle intoniert üppig. Die drei Stücke sind immer noch ultimative Musik, endlos hitzig, krasskompliziert, massiv kontrapunktisch und bei aller Tendenz zum Krawall zärtlich transzendental.

Letzteres kann man auch über die Kleine Nachtmusik sagen, der man zu Beginn des Konzerts begegnet. Mozarts Musik, an der kaum etwas klein ist außer Besetzung und Aufführungsdauer, wirkt wie ein Fremdkörper, so unsymphonisch scheint sie in ihrer Haltung, und man hört das apart Anlassbezogene der Musik, und dass sie mit Sicherheit zu intim für das öffentliche Konzert ist – die Staatskapelle spielte mit  zehn ersten Geigen.