
Gyula Orendt, Domingo Hindoyan, Joseph Calleja, Sonya Yoncheva, Anna Samuil, Jan Martiník, hinten Arrtu Kataja / Foto: facebook.com/sonyayonchevaofficial/
Der Abend ist ein Glücksfall.
Die Sänger sind gut, der Dirigent ist gut. Das Orchester hat Lust. Über die Schwächen der Inszenierung von Lindy Hume kann man hinwegsehen.
Sonya Yoncheva stellt eine glaubhafte Mimì dar. Yoncheva hat als Mimì noch mehr Schmackes in der Kehle als als Violetta. Die flutenden Spitzentöne gehören zum Besten, was es derzeit gibt. Sie haben Farbe, Klang, Drama, sie sitzen, und das Wichtigste, sie haben emotionale, spontane Intensität. Das Piano ist anrührend, die Höhe von hinreißender Kraft.
Joseph Calleja verfügt als charmanter, jungenhafter Rodolfo über einen robusten, hellen und schlanken Tenor. „Che gelida manina“ singt Calleja unruhig, wenn auch elaboriert und mit energischer Klangentfaltung. Auch später sind einzelne Phrasen ohne elegische Glut genommen. Auf Hochtouren kommt Calleja nach der Pause spätestens in jener gloriosen Szene mit Yoncheva („Donde lieta uscì“).
Anna Samuil ist eine dramatische, extrovertierte Musetta. Arttu Kataja gibt dem Marcello sein schlaksiges, aufragendes Erscheinungsbild. Der Mann hat eine gute Entwicklung genommen, er hat viel Gefühl für Phrasen. Gyula Orendt wartet als Schaunard mit akrobatischen Stunts auf, Jan Martiník ist Colline. Altmeister Olaf Bär singt Benoît/Alcindoro. Miloš Bulajić ist ein Parpignol mit schneidend hellem, weißfarbigem Tenor.
Domingo Hindoyan war die Überraschung des Abends (für mich jedenfalls, ich habe ihn eine Weile nicht gehört). Hindoyan dirigiert mit leidenschaftlicher Intensität, mit Witz, mit inspirierter Wärme. Das ist spontan und dennoch aufgeladen mit vielen hingebungsvoll geschilderten Details. Puccinis Oper ist ja ein bittersüßes Meisterwerk voller Polyphonie, voller verschwenderischer Melodiezüge, wenn auch von relativ bescheidener Länge, und mit einer Vorliebe für jene imponierende, hochkomplexe Sinnlichkeit, die wir in Opern so lieben.
Das Orchester hat einen sehr guten Abend, nicht zuletzt die Geigen.
Sonya Yoncheva hat mir über alle Maßen gut gefallen. Yoncheva hinreißend und Calleja steht ihr kaum nach. Schade nur, dass beide nicht wirklich Lust am Spielen haben. So läuft vieles nur auf Rumsteherei hinaus. Am Samstag verzichteten beide im 1. Akt sogar darauf, den verloren geganenen Schlüssel auf dem Boden zu suchen. Das habe ich noch nie gesehen.
Hing Yoncheva bei ihrer Arie in Akt I nicht hinter dem Dirigat von Mann Hindoyan her? :)
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Hindoyan zählt zu den ganz großen Jungen. Ich fand Domingo Hindoyan besser als Dudamel bei Mozart (Le Nozze di Figaro) im November. Einfach grandios wie lebendig und spontan die Musiker spielen.
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